WICHTIG
Manchmal, wenn du in deiner Bude hockst
und kaum ein Geräusch hörst, vielleicht mal ein Husten von nebenan
oder ein vorbeifahrendes Auto, kannst du dir überhaupt nicht
vorstellen, dass dort draußen noch sieben Milliarden andere Menschen
umherwuseln. Es erscheint dir vollkommen unglaubwürdig, wie solch
eine gigantische Menge von Individuen überhaupt Platz finden kann
auf so einem kleinen Planeten, und dabei noch Raum für Stille
erhalten bleibt.
Und noch viel verwirrender ist für
dich die Tatsache, dass du überhaupt existierst und hier sitzt, und
du fragst dich, warum du dir solche Gedanken machst, denn sicher bist
du damit nicht allein und folgerst, dass eigentlich niemand weiß,
was er hier eigentlich soll und dass alles Wirken und Leben
vielleicht vollkommen unmotiviert ist und zu nichts führt.
Stell dir mal vor, wie viele Menschen
im Verlauf der Geschichte schon gestorben, wie viele Schicksale über
die Erde geweht sind und was all dies letztlich ausgemacht hat.
Natürlich erinnert man sich an gewisse Leute wie William Shakespeare
oder Julius Caesar, aber nimm mal an, sie wären einfach vergessen
worden. Hätte doch überhaupt nichts ausgemacht, und alles wäre wie
immer, oder falls anders, würde es niemand merken. Und wenn es keine
Autos gäbe, säßen wir halt immer noch auf Pferden, und ohne
Einstein hätten wir anstatt E-Mails unser altes Briefpapier. Ist
doch einerlei.
Plötzlich bekommst du eine Krankheit,
und der Arzt sagt dir, dass es verdammt ernst ist und nun die
medizinische Maschinerie in Gang gesetzt wird, um dich kleines Wesen
zu retten. Oder du hast Pech und wirst mit deinen Problemen
ignoriert. Oder du ignorierst die bipolare Störung deines Nachbarn
und hilfst nur noch jeder dritten alten Dame über die Straße. Du
spendest nichts für hungernde Kinder, sondern lieber für
Robbenbabys, und meldest dich eines Tages sogar bei deinem besten
Freund nicht mehr, schreibst stattdessen auf Facebook mit einem
Japaner, den du nie treffen wirst.
Macht das alles wirklich etwas
aus, oder macht es wirklich gar nichts aus, oder nur in einem
mikroskopisch kleinen Rahmen, den du irgendwie aufwerten musst, um
nicht verrückt zu werden?
Wer erdreistet sich eigentlich zu
entscheiden, was wichtig ist, und was nicht? Müssen wir ständig und
immer wieder neu in einem völlig unmotivierten Universum einen Pfahl
in den Boden schlagen? Ist das nicht das gleiche, als wenn man in
einen Ozean spuckt? Nun, vielleicht bringt es was, wenn sieben
Milliarden ihre Pfähle schlagen oder spucken.
Aber dann haben wir einen Boden aus
sieben Milliarden Pfählen oder einen Ozean aus Spucke, und mit
welchem Recht behaupten wir, dies sei ein entscheidender Unterschied?
Du beschließt nun, ein neues Handy zu
kaufen und dir die Haare zu färben. Irgendwas muss ja. Leben ist
Veränderung.
Schließlich wird im Fernsehen deine
Lieblingsserie wiederholt, und du freust dich. Diese kleine Freude
erscheint dir realer als alle Fakten, mit denen du täglich
torpediert wirst und die dir als bedeutend verkauft werden.
Deine Freude schwillt so sehr an, dass
du sie mit irgendwem teilen musst, also postest du etwas dazu. Und
als du feststellt, dass es keinen interessiert, erkennst du, dass
dies in die gleiche Kategorie fällt wie diese Angewohnheit von
Leuten, ihr Mittagessen zu fotografieren und ihren Hund als einzig
wahren Freund lobpreisen.
Und hätten wir Einstein nicht
vergessen, könnten wir sagen, dass immer und überall alles relativ
sein wird. Also mach dir mal keine Gedanken über die Dinge, die
andere Menschen wichtig finden.
Deine Serie fängt gleich an.
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