LESEPROBE aus dem Roman TELUM (Pfeil/Fernwaffe)
Die Geschichte um einen reichen Römer und seine
permanente Beschäftigungstherapie: Frauen.
Der Gepard hatte sich längst mit allem abgefunden. Aus
seinem Gesicht war der Ausdruck des Suchenden gewichen. Er hatte
seine Sprache und seine Familie vergessen, und wenn man ihn in eine
offene Steppe frei ließe, konnte man nicht darauf hoffen, die
Wiedergeburt seiner Erinnerung zu feiern, wenn sein Blick auf eine
Gazelle oder ein junges Warzenschwein fiel.
Er war es gewohnt, von Menschenhand gefüttert zu werden
und immer seine Zunge in einen Wassertrog senken zu können, wenn er
Durst verspürte. Das verlorene Wissen würde ihm in diesem Leben
nichts mehr nützen. Es fiel in eine animalische Form der Damnatio
Memoriae, der ausgelöschten Erinnerung.
Doch eine Sache wusste der Gepard: Er kannte seinen
Namen. So lange hielten ihn schon die Menschen in ihrer Obhut, dass
er sofort herbei lief, wenn man ihn Pulcher rief. Pulcher stand als
männliches Pendant zu Pulchra für Schönheit und Anmut, und darauf
könnte sich der Kater, wäre er ein Mensch, einiges einbilden,
zählte er wegen der guten Ernährung zu den stattlichsten Vertretern
seiner Gattung. Ganz im Gegensatz zu den schmalen und dem harten
Leben der Wildnis ausgesetzten Brüdern.
In Dingen der Schönheit stand er in süßer Konkurrenz
zu dem anderen Wesen, das neben ihm im Nachbarkäfig hockte. In
vielerlei Hinsicht war diese schwarze Gestalt dem Kater gegenüber im
Vorteil. Sie erinnerte sich gut. Im Kopf des dunklen Mädchens
flimmerten die Jagdgründe ihrer Heimat und lächelten die Gesichter
ihrer Eltern und Geschwister. Doch ihren Namen kannte sie nicht,
jedenfalls nicht den, der ihr von dem Mann gegeben war, der die
Verantwortung für ihre Gefangennahme trug.
Die Augen zu weißen Bällen aufgerissen, die Lippen
blutig gekaut, die Haut voller Abschürfungen und die Kehle in
stechender Trockenheit, hockte das Mädchen in einem Käfig, in dem
zuvor Affen und exotische Vögel transportiert worden waren. Es
wusste nicht, wie der Hafen hieß, an dem das Schiff, das sie als
Ladung führte, vor einigen Stunden angelegt hatte. Es wusste nicht,
wer diesen Landstrich beherrschte und wohin es gebracht werden
sollte. Es verstand die Sprache dieser Leute nicht, es war nicht
Ashanti und nicht Ibo, sondern eine seltsame Zunge mit lustigen
Endungen und harten kehligen Lauten, so anders als die langen Vokale
und weichen Klänge ihres Volkes. Es hatte seit ihrer Verschleppung
sukzessive mehr Menschen gesehen, deren Haut hell leuchtete. Hier an
Land gab es kaum noch Dunkle.
Sie konnte die Tage nicht zählen, die sie auf dem
großen Wasser gefahren waren. Dort prangte ein blauer gebogener
Horizont, und hier strahlte das Gesicht dieses Mannes, das die junge
Frau bestaunte, anstarrte und beflüsterte. Auch lächelte, so
überraschend und wohltuend. Irgendwie konnte sie diese kleine Sache
verstehen, diese kleine aber nicht unwichtige Tatsache, dass sie nur
wegen diesem Mann gefangen, eingekerkert und verschifft worden war.
Sie hatte sich mit ihrer ganzen Kraft gewehrt, sogar Bisse und Tritte
ausgeteilt, bis fast niemand mehr wagte, sie anzurühren. Nur dieser
eine Mann und zwei seiner Gefolgsleute hatten es geschafft, sie sanft
zu betäuben und in diesen Tierkäfig zu sperren. Im Feuer ihres
Zorns hatte sie versucht, die eisernen Gitterstäbe zu zerbeißen und
sich dabei vier Zähne ausgebrochen. Wieder wurde sie in Schlaf
gesetzt, und das nächste, an das sie sich erinnerte, war der
Laderaum des Schiffes und ein seltsames, drückendes Gefühl von
Fremdkörpern im Mund. Man hatte ihr die Zähne ersetzt, und allein
diese Tatsache verblüffte sie vollkommen. Seitdem lutschte und
saugte sie an diesen Prothesen herum und folgerte, dass für einen
Menschen, den man erst gefangen nahm und anschließend verarztete,
kein schlimmes Schicksal vorgesehen war. Doch sie konnte sich
natürlich irren. Nichts erschien sicher.
Doch sie war Teil der Fracht, sowie der Gepard, sowie
die Kisten mit Wolle, Papyrus, Farben wie Kobaltblau, und Krüge voll
von wertvollen Gesteinen. Auch andere Tiere. Vögel verschiedenster
Art, Schlangen, Äffchen und Strauße. Die junge Frau, gerade 13
Jahre alt, ihrem Stamm entrissen, verstand nicht, zu welchem Zweck
man diese Dinge und diese Lebewesen über ein großes Wasser führte.
So wenig wie Fische die Wüste kannten, so wenig kannte sie das Mare
Internum.
Dennoch, ihr war schon zu Ohren gekommen, dass Menschen
gefangen genommen wurden, infolge unsinnige Dinge tun mussten und
keine Freiheit mehr genossen, oft auch getötet wurden. Doch wozu
hatte man ihr die Zähne ersetzt? Nicht um sie hinzu schlachten, denn
man wollte, dass sie weiterhin Nahrung zu sich nahm. Aber, und dieser
Gedanke quälte sie, vielleicht nur, um sie zu mästen.
Oben an Deck wurde sie angegafft und wie ein Affe
verhöhnt. Ferner beobachtete sie zweimal, wie ausgelaugte Ruderer
mit gebrochenen Armen oder aufgerissener Haut einfach über Bord
geworfen wurden. Sie dachte daran, sich selbst zu verletzen, um einem
Leben fern ihres Stammes zu entgehen, doch eine jugendliche Neugier
auf das Unbekannte hielt sie davon ab, wobei auch der untrügliche
Instinkt nicht zu unterschätzen war, der ihr sagte, dass der schöne
Mann, der sie so sonderbar anschaute, nichts Böses mit ihr vorhatte.
Doch natürlich war auch die Angst ihre ständige Begleiterin. Sie
sprang immer wieder wie ein kleiner Floh in ihren Gedanken umher,
kratzte und beschrie sie, und wegen der Hartnäckigkeit von Flöhen
war sie oft nicht abzuschütteln.
Seit sie in Gefangenschaft weilte, stellte sie immer
wieder fest, wie uneins diese weißen Menschen im Verbund waren. Sie
verhielten sich nicht wie Stammesleute, verschmolzen nicht zu einem
Ganzen, sondern spalteten sich voneinander ab, stritten und schlugen
sich, misstrauten einander und waren froh, wenn sie einen Anderen
übervorteilten konnten. Und sie verstand bald, warum. In ihrem Stamm
pflegte man die Unteilbarkeit der Gemeinschaft, weil es für das
Überleben notwendig war. Und diese Menschen mit ihren seltsamen
Kleidern und Umgürtungen brauchten diese Strategie nicht mehr. Sie
besaßen so viel, konnten essen wann sie wollten und ganze Tage mit
Faulenzen verbringen, weil sie irgendwann oder immer schon so
versorgt waren, dass sie den Kampf in der Wildnis nur noch aus
Erzählungen kannten. Sie schienen reich genug, um sich nur um sich
selbst zu kümmern.
Diese Eindrücke, so unvollständig sie auch das Leben
ihrer Gefangennehmer beschrieben, verdichteten sich in ihrem
unbedarften Geist aber nicht zu einem Urteil. Dazu war sie nicht
fähig. Sie fragte sich einfach nur, was noch alles auf sie zukommen
würde.
Der Gepard Pulcher gähnte und zeigte seine blanken
Reißzähne. Wie konnte er nur so unaufgeregt seinem Schicksal
entgegensehen? Mit seinem schlaksigen Leib federte er das ständige
Gewackel und Geholper des Carrus besser ab als seine Nachbarin.
Durch die Verschläge blitzten Sonnenstrahlen. So weit
weg konnte es gar nicht von ihrem Stamme weg sein, wenn es auch hier
die Sonne gab. Aber es war kälter. Nicht so kalt wie die Nacht, aber
die Luft hatte einen anderen Geschmack. Sie war salziger, schwerer,
wie der Atem einer alten Löwin.
Die Erschütterungen auf dem steinernen Weg verloren an
Heftigkeit. Dennoch war es kein Vergleich zu dem ruhigen, weichen
Reisen auf dem Wasser.
Einer der Männer, die den Karren begleiteten, hob die
Plane über das Dach, und das Mädchen sog die frische Luft durch
ihre Nasenlöcher ein. Zum ersten Mal konnte sie von ihrem Käfig aus
die Dächer der hügeligen Stadt sehen. Was war das für eine
Steinflut?
Sie kannte Häuser, aber dies war etwas Anderes, viel
Größeres. Der erste und einzige Vergleich, der ihr in den Sinn kam,
war der Dschungel. Nur war das, dessen Silhouetten sie in der Ferne
sah, kein Wald aus Baum und Blatt. Es war ein Dschungel aus
verrücktem Stein. Aber wie konnte sie die unheimlichen Geräusche
erklären, die an ihre kleinen durchstoßenen Ohren drangen? Sie
hatte nichts dergleichen jemals gehört. Sie kannte das Tröten der
Elefanten, das Gurren und Quietschen der Hyänen, den Gesang der
Vögel und das Geschlabber der saufenden Nilpferde. Aber dies hörte
sich nicht an wie ein tierischer Klang. Er drang direkt aus dem
Steindschungel, vielleicht von einem verirrten Wind, der bei seinem
Weg durch die Steinspalten dieses seltsame Raunen und Heulen
erzeugte, weil er keinen Ausweg wusste. Nie zuvor hatte sie fünfmal
10.000 Kehlen jubeln hören. So nah war sie an der Stadt. Und doch
nicht im Innern.
Die kleine Frau war nicht länger in ihrer Welt. Pulcher
kümmerte es nicht. Vielleicht sollte sie sich an ihm ein Beispiel
nehmen.
Menschen kamen dem Karren entgegen. Männer und Frauen
glotzten sie beim Vorüberfahren an. Manche lachten ganz unverschämt
und faulzahnig. Die Eingesperrte spürte, dass man dem Ziel näher
kam. Das Herz schlug ihr wild unter der Brust, und sie drehte sich
ständig herum, wie ein nervöser Vogel, spähte durch die Sträucher
am Wegesrand und über die Felder der herrschaftlichen Latifundien.
Die Plane wurde dann unerfreulicher weise wieder über den Wagen
gelappt, was sie ein wenig beunruhigte. Entweder sollte sie etwas
nicht sehen oder nicht gesehen werden. Doch es war nur die unstete
Fahrt gewesen, die den Stoff hatte hinab gleiten lassen. In der
wieder entstandenen Dunkelheit schloss das Mädchen die Augen. Sie
dachte sich die Gesichter ihrer Eltern. Jetzt mussten sie eine neue
Tochter machen. Der Stamm musste sie wohl für tot erklären. Wie
viel Wahrheit steckte darin? Wie lebendig konnte sie noch sein, und
wie viel Tod wohnte in dieser Welt, in der die Steine sangen?
Jetzt geschah etwas. Der Karren hatte angehalten.
Stimmen. Geklapper, das Grunzen der Zugtiere. Der seitliche Verschlag
wurde aufgetan. Zwei Männer tauchten auf. Sie hatten dasselbe
Staunen im Gesicht wie dieser schöne Mann. Wo war er? Seit dem Hafen
hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Der Käfig, in dem Pulcher
gelangweilt lag, wurde nun von dem Carrus gehoben, und als der Gepard
dem Mädchen ein letztes Mal in die Augen blickte, war es wie ein
lässiger Abschied. Der Käfig wurde fort getragen, und sogleich
erschienen zwei weitere klobige Männer und versperrten dem Mädchen
die Sicht.
Angst. Plötzlich und schonungslos. Sie wurde mit dem
Käfig aus dem Karren gehoben. Die Brüste der Männer waren dick und
haarig. Unter ihrem Käfig befand sich eine Platte mit Rädern an der
Unterseite. Doch was sie dann wirklich gefangen nahm, war links von
ihr. Zwei große, weiß strahlende Säulen türmten sich auf, fast
bis zum Himmel. Darüber eine dreieckige, ebenso leuchtende
Überdachung mit Schriftzeichen. Zwischen den Säulen stach ein
dunkler Gang irgendwo hin. Wollten die Männer sie etwa dort
hineinfahren? Sie sah auf der anderen Seite der Straße Bäume.
Fremdartige Bäume. Ihre Blätter glänzten, wie Wüstengestein es
manchmal tat. Ihr Käfig steuerte auf den dunklen Gang zu. Sie spähte
hinein und keuchte in einer kleinen Erleichterung, denn am Ende des
Korridors schien wieder Licht. Und wieder Säulen. Sie wurde in das
Vestibulum und das Atrium geschoben, dem Hof mit der kleinen
Dachöffnung, dem Compluvium, durch das Regenwasser nach unten in ein
Becken geleitet werden konnte.
Überall
eilten größere und kleinere Leute umher, Männer und Frauen. Sie
trugen alle die gleiche Kleidung. Sie konnte erkennen, dass von dem
Atrium Korridore abzweigten, wieder hinein in Dunkelheit,
wahrscheinlich zu weiteren Räumen führend. Nur
nicht dort hinein.
Dort sah es kalt und hart aus. Doch es ging weiter. Plötzlich konnte
sie den Himmel sehen. Der Käfig wurde ins große Peristyl gerollt.
Noch mehr Säulen, die den Hof umschlossen. Ein länglicher Innenhof,
hübsch ausgeschmückt mit Pflanzen. Und Statuen. Bildnisse aus Stein
von Menschen, die einfach eingefroren waren in ihrer steinernen
Starrheit, und doch so lebendig erscheinend. Schön. Und ein kleiner
Brunnen, aus dem wie durch Zauberei das Wasser plätscherte,
unaufhörlich. Auch von diesem viel größeren Hof zweigten Räume
und Flure ab, und die Wände waren bemalt mit fantastischen Szenen
unterschiedlichster Art. Hier schien es angenehm zu sein.
Plötzlich stand da eine Frau. Sie kam auf den Käfig
zu. Sie war schon älter, sehr schlank und mit einem schmalen,
vogelhaften Gesicht. Und das Beste war, dass sie lächelte. Es
unterschied sich von den Mimiken der anderen Menschen. Es war ein
einladendes Lächeln, mütterlich und besänftigend.
Aber
die junge Africanerin konnte es nicht erwidern. Das Korsett der Angst
und der Ungewissheit war noch zu eng. Die lächelnde Frau redete mit
den Männern, die den Käfig schoben und sich anschließend
entfernten. Jetzt schob die Frau den Käfig alleine, und es schien
ihr nicht besonders schwer zu fallen. Der Käfig wurde zur hinteren
Stirnseite des Peristyls gefahren. An der linken äußeren Ecke
befand sich eine kaum sichtbare Lücke in der Wand. Dahinter
schlummerte Dunkelheit. Nein,
nicht da hinein. Doch.
Es
war ein dunkler, sehr schmaler Korridor. Der Käfig passte gerade so
hindurch. Ist
es ein Weg zur Schlachtbank, oder gibt es wieder Licht?
Die Frau hielt den Käfig an. Irgendwas Klapperndes
holte sie hervor, längliche Werkzeuge, die sie in eine Vertiefung
der Wand steckte und mit einem widerlichen Krächzen herumdrehte. Die
Frau öffnete die Wand. Die eiserne Tür schnappte auf, gab den Blick
frei auf Licht dahinter. Zum Glück. Als die Frau den Käfig in
Richtung des Durchgangs schob, sah die junge Insassin die liebliche
und bezaubernde Ausstattung eines weiteren Peristyls. Es war etwa
genauso groß wie das eben verlassene, aber es sah irgendwie anders
aus. Die Wandbilder waren wüster. Lauter Körper, in komischer
Verkettung verharrt. Links und rechts sah die Africanerin
Zimmerfluchten, und es kamen Menschen heraus.
Eine Frau.
Zwei Frauen. Drei. Viele Frauen. Kein Mann. Der einzige
Mann bestand aus glänzendem Stein. Er prangte in Lebensgröße in
der Mitte des Peristyls, inmitten von Sträuchern und gestutzten
Gräsern. Er hob beide Arme halb empor wie ein guter Gastgeber. Er
trug keine Kleidung, und unter seinem Nabel ragte ein aufgerichtetes
Gemächt. Unter seinen Füßen, auf dem Sockel, prangte ein großer
Schriftzug.
Der Käfig wurde nah bei der Statue abgestellt. Die
Frauen strömten herbei, sie raunten, lachten, zeigten sich in hohem
Maße erfreut. Wieder erglomm diese Angst, geschlachtet zu werden.
Sie zuckte ihren Blick in die Gesichter der Frauen. An ihnen wehten
teilweise durchsichtige Gewänder, teilweise waren sie nackt oder
trugen nur eine schmale Brustbinde, das Strophium. Aber was ihr
auffiel, waren ihre gleichmäßigen Körper, ihre Rundungen, ihre
grazilen Bewegungen, und vor allem ihre Gesichter. Jede dieser
Frauen, ob es zehn oder fünfzehn waren, konnte sie nicht sagen, war
unermesslich schön. Kristallen.
Noch nie hatte sie so etwas gesehen. Und eine der Frauen
war dunkelhäutig, wie sie selbst. Und groß. Ihr Lächeln breit und
bezaubernd. Eine der Frauen war beleibt, und eine weitere, wie
erschreckend, hockte wie ein Anhängsel auf dem Arm einer großen,
kräftigen Frau, weil sie keine Beine hatte, nur einen Arm, den
linken, mit dem sie die große Frau umklammerte. Aber auch diese
verkrüppelte Frau sah bezaubernd aus. Die Dunkelhäutige beugte sich
nieder, sah neugierig in den Käfig, und dann sprach sie:
"Verstehst du mich?"
Sie sprach Ibo. Die Welt war also doch nicht so
gewaltig. Auch ein großes Wasser konnte sie nicht vergrößern Die
Erleichterung plätscherte wie ein frischer Bach. Sie konnte nicht
antworten. Zu trocken war ihre Kehle. Aber sie versuchte mit viel
Mühe, sich ein Lächeln abzuringen. Ganz schwach.
"Du verstehst mich. Sei herzlich willkommen."
Die schmale ältere Frau hielt ihr einen Kelch an die
Gitterstäbe. Die neue Schwester verstand und ließ Wasser in ihren
Mund laufen. Kühl und ohne Salz. Es ölte ihren Hals, besänftigte
die Qual, und es ermöglichte ihrer Stimme, in ihrer Sprache mit
einer Gegenfrage zu antworten:
"Wo bin ich?"
Die Dunkelhäutige blinzelte langsam und beruhigend, als
sie sagte:
"Du bist im Philaeum. Ich soll dir sagen, dein Name
ist von nun an Calva. Wie du bei deinen Leuten geheißen hast, ist
hier nicht mehr wichtig. Du heißt Calva, weil du einen kahl
rasierten Schädel hast. Merke dir den Namen gut."
"Warum bin ich hier?"
"Das weißt du nicht? Aber Calva, kleine Perle. Du
bist wunderschön!"
TELUM
500 S., 16,39 €
(auch als E-book)