Freitag, 5. Juli 2013

Fatum – Eine Fortsetzungsgeschichte. TEIL I


 
ROM
220 nach Christus (973 A.U.C.)
 
 
Marisca verdiente an diesem Tag genug Geld, um sich eine Mahlzeit und ein Töpfchen Olivenöl leisten zu können.
An der Via Merulana, nah beim Grabmahl der Helena, betrat sie eine Taverne und verwickelte den Wirt in ein Gespräch. Sie einigte sich mit ihm, das Geld von den Herrenbesuchen zu teilen, wenn sie als Gegenleistung ein Hinterzimmer beziehen durfte.
Nach einer ersten Nacht, in der sie ein paar Betrunkene empfangen hatte, kaufte sie sich Salben und Schminke, verführte einen Schmuckhändler auf der Saepta Julia, der ihr ein paar Ohrringe und Kettchen überlies, und begann, in ihrem neuen Leben Fuß zu fassen.
Sie fühlte sich wohl dabei, nicht länger den Verbrechern Stolo und Licina dienen zu müssen.
Regelmäßig dachte sie an ihre toten Eltern und an ihren Bruder und fragte sich, ob sie Marisca wohlwollend oder gar missbilligend vom Elysium aus beobachteten.
Um zusätzliches Geld zu verdienen, half Marisca in der Taverne als Bedienung aus und nutzte diese Tätigkeit auch, um auf sich und ihre Reize aufmerksam zu machen.
Eines Tages beobachtete sie zwei Männer, die sich an einem Tisch einander gegenüber saßen und anscheinend ein Geschäft abwickelten. Einen der Männer kannte sie. Es war ein Aventiner, Angehöriger der Bande des gleichnamigen Hügels. Hier jedoch befand man sich auf dem Esquilin.
Als der Aventiner seinem Tischgenossen ein Säckchen Geld überreichte, erkannte Marisca um was es ging. Der andere Mann nahm das Geld und gab dem Aventiner eine schallende Ohrfeige, was dieser mit stoischer Ruhe über sich ergehen ließ. Einige Gäste schauten, reagierten jedoch nicht.
Der Wirt rief:
"He, hier wird sich nicht geprügelt!"
"Niemand prügelt sich hier." sagte der geschlagene Aventiner. Marisca beobachtete nun, wie der Schläger seinem Gegenüber dreist in die Nase kniff. Auch dies erduldete er ohne Murren. Schließlich zog der Mann mit einem widerlichen Geräusch Speichel aus seinem Rachen hoch und spuckte dem Aventiner eine volle Ladung ins Gesicht. Glänzend und schaumig. Der Wirt, von dieser Szene ziemlich irritiert, ahnte nun was das für Männer waren und versuchte, sie zu ignorieren.
"Du kannst jetzt gehen." sagte der Schläger dem Aventiner. "Wenn du jemanden triffst, der dir weiteren Zoll abverlangt, nenne meinen Namen. Ich heiße Pictor. Hier ist mein Zeichen. Hast du verstanden, Arschloch? Pictor heiße ich.“
Er gab dem Aventiner eine kleine Holzmünze, in der ein kleines Symbol eingeritzt war.
"Zeig sie wenn du musst. Es ist der Beweis, dass du bereits gezahlt hast."
Der Aventiner nahm die Holzmünze und verstaute sie in seinem Beutel. Dann stand er auf und verließ ohne einen Gruß die Taverne. Der andere Mann, Pictor, begann das Geld zu zählen und kippte sich den Rest aus dem Becher des Aventiners in seinen. Doch es war nur sehr wenig. Das gab Marisca die Gelegenheit, sich ins Spiel zu bringen:
"Darf ich euch noch etwas einschenken, Herr?"
"Nein. Ich muss bei Verstand bleiben ..."
Als Marisca ihm in die Augen schaute, sprach ihr Blick eine deutliche Sprache. Der Mann reagierte desinteressiert, da er wusste, dass ihn Marisca ins Hinterzimmer locken wollte. Plötzlich sagte sie kühn:
"Wieso habt ihr meinen Freund vom Aventin nicht härter gezüchtigt? Das hätte ich gerne gesehen."
Pictor tat so, als hätte er Marisca nicht gehört und sagte:
"Die Juden da drüben an dem Tisch möchten, dass du ihre Becher auffüllst."
Er stand auf, bedachte Marisca mit einem letzten prüfenden Blick, und ging.
 
 
 
- Zweiter Teil am nächsten Freitag, den 12.07.2013 -

1 Kommentar:

  1. Vom Verfasser: Die Worte "verdienen" und "Geschäft" wurden nicht von mir verlinkt. Das geht wohl automatisch. :-(

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