Donnerstag, 29. August 2013

Fatum – Eine Fortsetzungsgeschichte. TEIL IX


Ihren inneren Freudensprung konnte Marisca nur mit Mühe verbergen. Sie wollte Caecus um den Hals fallen, doch das wäre einfach zu übertrieben. Stattdessen sagte sie etwas Dummes:
„Glaub mir, wenn du mich das Handwerk des Malens lehrst, werde ich alles für dich tun, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Und du wirst es nicht bereuen.“
Plötzlich ging ihr auf, dass sie aus Gewohnheit wie eine Lupa gesprochen hatte. Sie wurde rot. Sie musste an den Spruch denken: „Einmal Hure, immer Hure“. Und vielleicht dachte auch Caecus etwas ähnliches. Doch er konterte ihre Vergeltungsbereitschaft gut aus:
„Du wirst alles tun, was ich von dir erwarte, wenn du unter meinen Augen den Pinsel auf der Tafel führst. Nur dazu und zu nichts anderem verpflichtest du dich.“
Sie konnte beobachten wie Caecus für einen Wimpernschlag auf das Portrait seiner toten Frau schaute. Warum hielt er ihr nach einem halben Jahr noch die Treue? Wieso erleichterte er sich nicht in einem Lupanar, wie alle Männer? War er ein Univirus, einer der seltenen Fälle, in denen ein Mann sich ganz und gar einer einzigen Frau verschrieb?
„Ich werde alle deine Anweisungen befolgen.“ sagte Marisca kleinlaut. Caecus fragte kühl:
„Sind die Schmerzen soweit zurückgegangen, dass du wieder zurück zum Haus laufen kannst?“
„... Ich denke schon.“
Marisca stand auf und ging zur Tür.
„Dann bis morgen, in aller Frische.“ rief Caecus hinterher. Hart wollte er klingen, aber der Tonfall eines strengen Zuchtmeisters lag ihm nicht.
Marisca erwiderte nichts, lächelte nur zart und verließ die Wohnung.

Caecus setzte sich auf den Stuhl, auf dem Marisca gesessen hatte. Er befühlte die Armlehnen und die Sitzfläche, roch daran, streichelte die Armlehnen, so als ob es die wahrhaftigen Arme von Marisca wären. Er legte seine Hände flach auf die Sitzfläche und glaubte, die junge Frau zu spüren, die eben noch diesen Bereich der Luft mit ihrer Gegenwart ausgefüllt hatte.
Er warf einen verzweifelten Blick auf das Portrait seiner Frau.
„Verzeih mir, mein Liebling. Verzeih mir!“
In seinem Kopf erschienen Mariscas nackte Fersen und die süßen Füße in den Sandalen.
Caecus setzte sich auf den Stuhl und nahm denselben Raum ein wie Marisca vor wenigen Minuten. Er wurde von Wallung erfasst. Auch von Schuld. Hätte seine Frau ihm das nachgesehen? Womöglich. Sie konnte so besänftigend sein wie eine allheilende Medizin, gütig und verständnisvoll. Und gerade deshalb fühlte sich Caecus noch schuldiger.
Wäre sie eine keifende Xanthippe gewesen, würde ihr Bild auch nicht an der Wand hängen. Obwohl er nicht besonders gläubig war, beschloss er am nächsten Tag ein Huhn oder einen Hasen zu opfern. Es blieb zu überlegen, welche Gottheit er anrufen könnte. Viele kamen infrage.
Nun klopfte es an seine Tür. Ein Schreck und eine kleine Freude durchzuckten ihn, weil er dachte, Marisca wäre zurückgekommen ...

Asellio genoss etwas, wovon Caecus sich nur zu träumen erlaubte. Mariscas Beine an den Fersen in die Höhe haltend, auf ihre Brüste starrend, labte er sich an ihrem Leib, während sie nur an den Meistermaler dachte und sich schwor, ihm gegenüber nie wieder ein anzügliches Verhalten an den Tag zu legen. Sie wollte sich würdig erweisen und nicht länger seine Unwürde herausfordern.
Sie konnte es nur dann schaffen ihn zu gewinnen, wenn sie sich moralisch tadellos benahm und artig in seine Lehre ging. Er durfte nicht erfahren, dass Marisca hier für jedermann zugänglich war und sich alles gefallen ließ, was immer man mit ihr anstellte. Zum Glück verbrachte er die Abende zu Hause und nicht hier in diesem Pfuhl der Voluptas.
Marisca fand schnell Schlaf, denn die Ertüchtigung mit Asellio hatte sie sehr erschöpft.
Am nächsten Morgen, als Marisca frohen Mutes in die Werkstatt ging, fand sie dort betroffene und sorgenvolle Sklavengesichter vor.
Caecus war nicht zur Arbeit erschienen, und als jemand zu seiner Wohnung gegangen war, um nach ihm zu sehen, hatte sich dort ein Wächter der Praefektur befunden, der die Wohnung inspizierte. Sie war vollkommen ausgeraubt worden, und Caecus lag mit einigen Verletzungen im Hospital auf der Tiberinsel.
Marisca war bestürzt. Wieso wurde er in seiner Wohnung überfallen? Hatte dies irgendwas mit ihrem Besuch zu tun? Sie konnte sich darauf keinen Reim machen.
Sie begleitete die Sklaven, die Caecus einen Besuch abstatten wollten. Man kaufte ein wenig Gemüse, um es beim Tempel des Aeskulap zu opfern.
Caecus lag in einem Einzelzimmer. Mit Entsetzen sahen die Besucher, dass Caecus' rechte Hand geschient und verbunden war. Sonst ging es ihm aber recht gut. Natürlich saß ihm noch der Schreck in den Gliedern, doch als er seine Sklaven erblickte, zeigte er selten gesehene Freude auf seinem Gesicht. Und Marisca bemerkte, dass er sie auf eine ganz neue Art ansah. Die Sklaven legten ihm Blütenblätter auf das Bett.
„Das war kein Raubüberfall.“ sagte Caecus trocken. „Das war ein Anschlag. Diese beiden Männer hatten den Auftrag, mich so zu verletzen, dass ich meine Arbeit nicht mehr ausführen kann.“
Marisca schlug die Hände vor das Gesicht. Caecus sollte nicht mehr malen können? - Unvorstellbar, grässlich, niederschmetternd.
Zu Mariscas Überraschung grinste Caecus jedoch, und die Sklaven lachten sogar.
Marisca konnte sich das nicht erklären bei dieser Tragödie. Caecus sagte verschmitzt:
„Leider hat diesen Schurken niemand erzählt, dass ich Linkshänder bin.“
Jetzt lachten alle. Marisca wunderte sich, dass ihr diese Eigenart von Caecus bisher nicht aufgefallen war, obwohl sie ihn andauernd angestarrt hatte.
„Der Medicus sagte, dass meine rechte Hand wohl nie wieder zu meiner Zufriedenheit funktionieren wird. Aber ich bin nicht pessimistisch. Und? Habt ihr auch brav dem Aeskulap geopfert?“
Die Sklaven bejahten. Nachdem man sich noch ein wenig unterhalten hatte, verabschiedeten sich die Sklaven. Plötzlich sagte Caecus:
„Ich wünsche dass Marisca noch einen Augenblick bei mir bleibt. Ich habe mit ihr über ihre Ausbildung zu reden.“
Marisca pochte das Herz. Als sie mit Caecus alleine war, konnte sie sich nicht vorstellen, was er ihr zu sagen hatte ...
 
 
 
 
Nächster Teil Freitag, 06.09.2013 

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