LORD DELUXE –
Aus der Nase eines Killers
TEIL IX
Das Haus war zuvor
von einem deutschen Schlagersänger gemietet worden und hatte nun zum
zweiten Mal als Unterschlupf für Kronzeugen gedient.
Linklater stand im
Wohnzmmer und betrachtete die falschen goldenen Schallplatten an der
Wand, mit denen der Sänger vor seinen amerikanischen Gästen prahlen
wollte. Linklater sprach natürlich kein deutsch und und konnte Titel
wie „Ich hasse meine Liebe zu Dir“ und „Sei kein Schwein, gib
mir Wein“ nicht lesen.
Diesmal hatte der
Killer einen der FBI-Agenten leben gelassen. Er gehörte zu den
Beamten des Periphär.-Teams, das draußen vor dem Haus postiert war.
Der arme Mann, ein gerade mal 27 jähriger New-Be, der gerade seinen
Abschluss bei der Akademie gemacht hatte, war bereits in
psychologischer Betreuung. Es war ihm kein einziger verdächtiger
Laut an die Ohren gedrungen, als er draußen an der Hintertür Wache
gestanden hatte. Im Innern des Hauses bot sich das übliche Bild,
ähnlich wie in L.A., doch diesmal wurden keine Nachbarn getötet, da
es hier zu viele davon gab. Alles hatte leise und schnell geschehen
müssen. Der Kronzeuge Benito Estevez und sechs Bundesagenten lagen
tot in Wohnzimmer und Flur. Dem Kronzeugen wurde post mortem explizit
in die Genitalien und das Rektum geschossen.
„Agent Drexel, sie
haben zuvor unsere Analyse studiert. Gibt es irgendwelche
signifikanten Abweichungen zu dem Fall in L.A.?“
„Mein lieber
Kollege, nicht die Abweichungen sollte uns beschäftigen, sondern die
Gemeinsamkeiten. Haben sie eigentlich noch keine Nanosekunde darüber
nachgedacht, dass es in ihrem Laden vielleicht eine undichte Stelle
gibt?“
Der Agent aus Denver
besaß eine einschüchternde Wirkung auf den schmächtigen Linklater.
„Ja, aber sagen
sie es nicht zu laut. Wir haben natürlich darüber nachgedacht. Aber
es gibt keine potentiellen Verdächtigen für einen Maulwurf.“
„Die gibt es nie,
sie Idiot.“
Der Agent aus Denver
drehte sich um und ließ eine Flatulenz in Linklaters Richtung
fahren. Ihm war schon bei seiner Ankunft aufgefallen, dass die
Kollegen in dieser Stadt auffallend häufig Gase abließen. Linklater
besaß eine schelmische Phantasie und stellte sich vor, diese
Geräusche und Gerüche einmal offiziell für die Nachwelt
festzuhalten und zu vergleichen. Es gab bestimmt Gemeinsamkeiten,
Übereinstimmungen, die auf Geschichte und Charakter einer Person
schließen lassen konnten.
Linklater fuhr nach
der Untersuchung in sein Hotel und bestellte sich eine große
Peperoni-Pizza, von der er sich einige Gasbildungen erhoffte.
Gegen neun Uhr
abends bekam er einen Anruf vom Büro in Denver. Er sollte bitte
schleunigst vorbeikommen, weil sich einige wichtige Fragen
aufgedrängt hatten.
Ohne sich weiter
darüber Gedanken zu machen, machte sich Linklater auf den Weg und
wurde eine halbe Stunde später in Gewahrsam genommen. Er stand in
dem Verdacht, mit den Auftraggebern der Morde in Verbindung zu
stehen. Nun, vollkommen erschlagen von dieser Anschuldigung und
allein in einer Zelle sitzend, wurde ihm alles klar: Benson war der
Informant. Nur er konnte es sein, und Benson hatte dafür gesorgt,
dass nun er, Linklater, im Visier der Ermittlung stand.
Benson schrieb eine
E-Mail an den Lord, an dieselbe Adresse, die das Foto mit dem
schönsten Polpel der Welt, den, wie Benson ihn nannte, Lord Deluxe,
geschickt hatte:
„Du bist so
erhaben über allem, nicht wahr? Jedenfalls fühlst Du Dich so. Wir
schaffen uns unsere Illusionen, jeder für sich selbst, jeder wie ein
Stern in dieser Galaxis. Hast Du schon gewusst, dass jeder Stern für
ein Menschenleben steht? 100 Milliarden Sterne für 100 Milliarden
Leben, die auf Erden schon gelebt wurden. Aber bedenke, vielleicht
ist das ganze Universum eine Illusion. Und wenn dem so ist, sind die
Bedeutungen, die wir den Dinge geben, gar nicht weniger wert, sondern
bleiben so wie sie sind, unangetastet. Und wir können damit die
Menschen beeinflussen.“
Benson klickte auf
„Senden“ und ging ins Wohnzimmer.
Man erwartete Gäste.
Bensons Frau war gerade unterwegs, um ihre Schwester, ihren Mann und
deren zehnjährigen Sohn Christopher vom Flughafen abzuholen. Benson
hatte die Aufgabe, den Braten im Ofen im Auge zu behalten. Er hatte
Tags zuvor das Foto des „Lord Deluxe“ in einem Copyshop auf DIN-
A2 aufziehen lassen und einen goldfarbenen Rahmen gekauft. Nun hing
das Bild wie ein Kunstdruck im Esszimmer an der Stirnwand, und Benson
richtete einen der kleinen Halogenleuchten darauf, damit es voll zur
Geltung kam. Eine schöne Überraschung sollte es werden …
Letzter Teil am Freitag, den 28.03.2014
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