Donnerstag, 30. Januar 2014

LORD DELUXE – Aus der Nase eines Killers Teil II


 
LORD DELUXE – Aus der Nase eines Killers
TEIL II
 



Benson und Linklater horchten auf. Linklater fragte:
„Eine von uns?“
„Schön wär's, nein. Eine Hausangestellte womöglich. Sie ist sehr verwirrt und möchte nur mit Ihnen reden, Sir. Hat sich in einem Verschlag unterm Dach versteckt, und dort hockt sie noch immer.“
Benson und Linklater folgten Kostic ins Haus.
„Ich habe überhaupt nichts gehört. Es war nur so ein Gefühl, so eine vibrierende Unruhe. Ich kenne dieses Haus zu gut, ich weiß wie es atmet. Meine Dienste galten zuvor dem Senator Pennington, bevor er verstarb.“
Linklater musterte die Frau, Sie war schätzungsweise Mitte 40, schlank und ein wenig verhuscht, was Anlass dazu gab, ihre Worte in eine gewisse Ecke zu stellen, in eine Sparte des Irrationalen.
„Hatten Sie denn nicht die Möglichkeit, per Handy Hilfe zu rufen?“ fragte Benson etwas zu grob. Die Frau sah ihn an, blickte dann aber zu Linklater, als sie antwortete:
„Mein Handy befindet sich unten in der Garderobe in meiner Handtasche.“
Nun intensivierte sich ihr Blick, was Linklater ein wenig anrührte,
„Sie sind alle tot. Nicht wahr?“ fragte die Frau mit sanfter Stimme.
Linklater besaß Empathie. Im Gegensatz zu Benson.
„Wie darf ich Sie ansprechen, Miss?“
„Misses … Ich bin Misses Paradopoulos.“
„Ja, Misses Paradopoulos, niemand ist mehr am Leben.“
Die Frau senkte den Kopf. Es schien beinah, als sei sie ein wenig belustigt.
„Ich habe geahnt, dass so etwas passieren würde. Diese Verbrechen, diese Lügen – es konnte nur böse enden.“
Linklater flüsterte Benson ins Ohr und teilte ihm mit, dass die Frau nicht auf der FBI-Liste stand. Nicht als Bekannte und nicht als Hausangestellte. Linklater gab ihren Namen gleich an die Zentrale weiter, um sie überprüfen zu lassen. Benson ließ sich nicht anmerken, dass ihm gerade brisante Informationen zugetragen worden waren. Diese Frau konnte eine Komplizin des Killers sein, trickreich unbemerkt eingeschleust, um etwaige Türen zu öffnen und Informationen über das FBI-Personal zu übermitteln.
„Misses, wir müssen Sie bitten, uns in die Zentrale zu begleiten.“
„Selbstverständlich. Das verstehe ich. Verfügen Sie über mich, meine Herren ...“ sagte sie seltsam melodramatisch, stand auf und breitete völlig unpassend die Arme aus, so als wolle sie getragen oder geopfert werden. Linklater sagte schnell:
„Bitte Misses, Sie sind nicht verhaftet. Nur eine Zeugin. Begleiten Sie bitte Agent Kostic.“
„Was immer Sie wollen, meine Herren ...“
Linklater und Benson sahen der Frau nach, als sie mit Kostic das Stockwerk verließ. Sie schüttelten die Köpfe, und Benson sagte:
„Jetzt spielt sie ebenfalls die Irre, genau wie unser Killer.“
„Sir, ich habe bei dieser Dame kein schlechtes Gefühl. Es mag sein, dass sie unter Schock steht.“
Benson begann, in seiner Nase zu popeln.
„In meiner gesamten Laufbahn habe ich noch keine Schlampe erlebt, die zu sehr unter Schock steht, um uns nicht zum Narren halten zu können ...“
„Ach Sir, wollten Sie nicht ihre Frau anrufen? Ich sollte Sie doch daran erinnern.“
„Da haben Sie recht, aber mir ist von diesem Massaker hier schon übel genug.“
Benson hatte immer noch seinen Finger in der Nase stecken, verschwand kurz hinter einer Hecke, und Linklater konnte hören, wie er
„Das ist ja erbärmlich!“ sagte.


Misses Paradopoulos saß drei Stunden im Verhörraum des Field Office der FBI-Außenstelle von L.A. Ein Psychologe wohnte der Befragung bei und vermutete bei der Frau eine gewisse Unvereinbarkeit mit der Realität, was darauf hinaus lief, sie als latent stumpfsinnig einzustufen.
Sie war eine griechische Emigrantin in zweiter Generation, ihre Eltern lebten nicht mehr, ihre Ehe war seit vier Jahren geschieden, und ihr acht Jahre jüngerer Bruder saß wegen Drogenbesitzes in Atlanta in Haft. Sie selbst hatte sich noch keines Verbrechens schuldig gemacht, es gab nicht mal anhängige Strafzettel. Die Beamten konnten sich keinen Reim darauf machen, warum sie nicht auf ihrer Liste gestanden hatte, und vermuteten Schlamperei auf Seiten des Büros in Chicago, das die Vorarbeit für das Schutzprogramm geleistet hatte.
Am Ende konnte man keine Hinweise auf eine Beteiligung von Misses Paradopoulos an dem Massaker feststellen und ließ sie laufen, aber nicht ohne sie von einem kleinen Team beschatten zu lassen.
Misses Paradopoulos fuhr mit dem Taxi nach hause. Sie wohnte in einer ärmlichen, aber gepflegten Gegend im Süden von Los Angeles. Nach ihrer Scheidung hatte sie sich gewünscht, wieder ganz allein in einer kleinen Wohnung zu wohnen und ihr Umfeld zu verändern.
Als sie aus dem Taxi stieg, wurde sie freundlich von einem ihrer Nachbarn begrüßt:
„Hey Chari, wo hast Du denn Dein Auto gelassen?“
„Das steht noch drüben. Es wird mir morgen vorbei gebracht. Frag mich jetzt lieber nicht, wie mein Tag gewesen ist, ich habe die letzten Stunden genug gequasselt.“
„Hey, Ich gehe zu Bernie's, soll ich Dir was mitbringen?“
„Ne Flasche Scotch und was zu rauchen. Sehr freundlich von Dir.“
Einer der FBI-Agenten, die Misses Paradopoulos vom Auto aus beobachteten, notierte sich: „Alkoholikerin“.
Misses Paradopoulos ging in ihre Wohnung. Es gab nur ein Zimmer, eine kleine gemütliche Küche und ein Bad mit Dusche. Sofort schaltete sie den Fernseher ein, weil sie die Stille nicht ertrug. Sie zog sich nackt aus und warf einen leichten Morgenrock aus rotem Satin über, den ihr der Mafiakronzeuge vor ein paar Monaten geschenkt hatte.
Sie setzte sich auf ihr Sofa und nahm das Album berühmter Männer vom Wohnzimmertisch. Sie fing an zu blättern: Churchill, Lincoln, Edison, Julius Caesar, Mahatma Gandhi, Elvis Presley, Sam Giancarna …
Sie schlug das Buch wieder zu und zündete sich eine Zigarette an. Im Fernsehen kam ein Bericht über das Massaker, aber mit sehr sparsamen Informationen. Misses Pradopoulos musste lächeln.
Sie nahm eine Whiskyflasche vom Boden und sah nach, wie viel noch drin war. Sie wischte das Glas von gestern Abend mit ihrem Morgenrock ab und goss es voll. Sie stürzte es in einem Zug und seufzte.
Sie schaltete auf einen anderen Kanal, und schließlich klingelte der Nachbar an ihrer Tür. Misses Paradopoulos bezahlte den Alkohol und die Zigaretten und bedankte sich.
Nun machte sie es sich auf dem Sofa bequem und streckte sich der Länge nach aus. Erst dachte sie darüber nach, dass sie sich eigentlich vollkommen durcheinander fühlen müsste ob der Geschehnisse an diesem Tag, doch das war nicht der Fall. Sie fühlte sich ganz ruhig und beinah von einer gewissen launigen Muße beseelt. Sie begann zu träumen und dachte an den sexy Poolreiniger mit den breiten Schultern, mit dem sie ein wenig geflirtet hatte, und der nun tot war. Ihre Hände glitten unter ihren Morgenrock und befühlten ihre Brüste. Für ihr Alter konnte sie sich nicht beklagen was das anging, und auch sonst nicht. Misses Paradopoulos war schlank und hatte eine gute Figur. In ihrem Gesicht stand ein wenig das Leid und die Enttäuschungen der letzten Jahre, und auch der Alkohol begann allmählich, seine Spuren zu setzen.
Sie streichelte sich ausgiebig und verspielt. Seit ihrer Scheidung war sie nur mit einem einzigen Mann zusammen gewesen. Das war erst zwei Monate her, und seitdem hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Dieser Mann war erst der zweite, bei dem sie einen Orgasmus gehabt hatte, der erste war ein Junge aus ihrer Schule gewesen, mit dem sie vor ihrer Ehe ein Affäre gehabt hatte. Bei ihrem Ehemann hatte sie immer nur etwa 65% gefühlt, nie mehr. An besonderen Tagen vielleicht 70.
Misses Pradopoulos gefiel es, an diesen letzten Mann zu denken, an seine drahtigen Hände und seine längliche Muskulatur. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die regelmäßig masturbierten, aber seit diesem Mann hatte sie es öfter getan als zuvor.
Und nun befand sie sich mitten drin und biss sich in die Faust, während sie mit der anderen Hand weiter unten beschäftigt war.
Unerwartet klingelte ihr Telefon. Das riss sie mit einem Schlag aus ihrer Wonne heraus. Sie setzte sich auf, strich ihre Haare glatt und nahm den Hörer ab. Sie vermutete, dass vielleicht das FBI noch eine Frage hatte.
„Hallo?“
„Chariklia, hier ist der Lord.“






Nächster Teil Freitag, 07.02.2014

Freitag, 24. Januar 2014

LORD DELUXE – Aus der Nase eines Killers TEIL 1


 
LORD DELUXE – Aus der Nase eines Killers
Eine Kurzgeschichte in 10 Teilen



Teil I



„Ich schildere Ihnen erst einmal, wie die Ausgangslage war. Hinter dem Haus beim Pool zwei Mann, im Erdgeschoss des Hauses jeweils ein Beamter in der Küche, einer in der Lobby und zwei im Obergeschoss.. Dazu zwei Männer, die durch das Haus und den Keller sowie durch den Garten patroullierten. Mullinger wurde außerdem eng von einem Beamten flankiert. Die meiste Zeit saß er vor der Glotze, ging aber auch manchmal nach draußen und sprach mit seiner besoffenen Frau. Und natürlich hatten wir gegenüber auf der anderen Straßenseite einen Van mit zwei Beamten, die die vier Videokameras überwacht haben. Soweit so gut, Der Unbekannte hat es irgendwie geschafft, in den Van einzudringen, die beiden Beamten lautlos auszuschalten und sich die Kleidung von Agent Ulpius anzuziehen. Mit dieser Tarnung konnte er ungehindert ins Haus und die Lage taktisch sondieren. Zunächst erledigte er die beiden Kollegen im Obergeschoss. Er benutzte nach erster Einschätzung eine taktische MP5 mit Schalldämpfer. Niemand von unten hätte die Schüsse hören können. Er schleifte die Leichen in das Jugendzimmer der Tochter Juliet, die sich zur Zeit noch bei Verwandten in Santa Barbara aufhält. Sie weiß noch nicht Bescheid. Der Killer ging anscheinend über die Wendeltreppe nach unten und anschließend in die Küche, wo er Agent Kahn und den Butler ausschaltete. Auch davon schien niemand etwas bemerkt zu haben. Auch der Agent in der Lobby nicht, dem unser Mann aber irgendwie aufgefallen sein musste, denn er folgte ihm nach hinten in den Flur, wo sich das Badezimmer und das Ankleidezimmer befinden. Der Killer hatte jedoch keine Probleme, ihn und Agent Offenhouse zu töten, ohne dass die Ehefrau, die gerade aus der Sauna kam, etwas bemerkte. Nachdem er die beiden Leichen in das Ankleidezimmer gezerrt hatte, begegnete ihm Misses Mullinger im Flur. Sie hielt ihn für einen regulären Beamten und schöpfte womöglich erst Verdacht, als sie die Blutspuren an Wand und Teppich bemerkte. Der Killer erdrosselte sie hinterrücks und schoss ihr anschließend in den Kopf und zwischen die Beine. Ihre Leiche ließ er so liegen, wie sie war. Nun begab er sich in den Garten mit dem Swimmingpool. Einen unserer Männer lockte er wohl mit irgendeinem Vorwand zu einer unbeobachteten Ecke und brach ihm das Genick. Den Zweiten erschoss er schon beinah exzessiv. Die Spurensicherung ist noch nicht fertig, aber wir gehen von mindestens 12 Schusswunden aus. Der Beamte fiel in den Pool, was der Mörder wohl genauso beabsichtigt hat, damit sich das Wasser rot färbt. Nun blieb noch Agent Zaris und Mister Mullinger selbst, das Primärziel. Der Killer ging seelenruhig in das Wohnzimmer und gesellte sich zu den Beiden, schaute wahrscheinlich ein paar Minuten fern mit ihnen – es lief gerade das Footballspiel – und täuschte einen Anruf auf seinem Handy vor. Dann sagte er dem Beamten, jemand aus dem Überwachungsvan wollte ihn sprechen. Als der Kollege den Raum verlassen hatte, erwürgte er Mister Mullinger, während dieser in seinem Sessel saß und das Spiel anschaute. Kurioserweise bemerkte der Agent nicht, als er schockiert von den Leichen im Van zurück ins Haus eilte, dass unser Kronzeuge bereits tot war. Doch er schien den Killer nun als solchen wahrzunehmen und schaffte es, einen Schuss aus seiner Waffe abzufeuern, der jedoch den Killer verfehlte, der mit einer Salve aus einer gestohlenen FBI-Pistole antwortete. Die hatte natürlich keinen Schalldämpfer. In diesem Moment muss die Nachbarin Misses Herbiger aufgeschreckt worden sein. Der Killer lief aus dem Haus und erschoss sie. Aber er beließ es nicht bei einem Schuss. Er zerfetzte mit vier Schüssen ihr Gesicht, lud nach und feuerte weitere fünf Mal auf sie ab, in den Unterleib, den Bauch und in die Brüste. Einer der Schüsse durchschlug die Brustprothese der Frau, und die Splitter perforierten ihre Strickjacke.
Ein Jogger, der in Panik ins Haus lief, in der Hoffnung, noch einen lebenden Agenten vorzufinden, wurde von dem Killer überwältigt und mit der Heckenschere von Misses Herbiger geradezu filetiert. Der Mörder lud erneut seine Waffe nach und feuerte wild im Haus herum. Dann verabschiedete er sich.“
„Okay, Kostic, Sie können Pause machen.“
Der angesprochene Beamte nickte zufrieden und entfernte sich. Benson und Linklater nippten an ihren Kaffeebechern. Benson sagte:
Warum der Exzess? Warum die additiven Schüsse und das Herunfuchteln mit der Heckenschere? Will er uns weismachen, dass dies nicht der gezielte Anschlag auf einen Kronzeugen war? Glaubt er wir denken, es war ein Lunatic, der zufällig durch diesen Vorort gestreift ist?“
„Er will, dass wir uns exakt diese Gedanken machen. Je mehr wir nachdenken, desto mehr Zeit gewinnt er. Und er weiß, dass wir alle Hände zu tun haben werden, um die Theorie von einem Irren nieder zu schlagen. Wir haben die MP5 mit dem effektiven Schalldämpfer, einen extrem antizipierenden und blitzschnellen Täter, der vorher genau gewusst hat, wie viele Beamten unseren Mann beschützen. Er kannte die Architektur des Hauses und wusste, welche Türen verschlossen sind und welche nicht.“
Sprechen wir jetzt über die Möglichkeit eines Maulwurfs?“
„Nie und nimmer ist einer von unseren Leuten zu solch einer Ein-Mann-Aktion fähig. Aber ich brauche ihnen ja nicht zu sagen, dass die Mauern unserer Büros ein paar zu breite Fugen aufweisen, wenn es um den Schutz eines Kronzeugen geht.“
„Wollen sie einige Leute beschatten lassen, ein paar von den Neuen?“ fragte Benson gespielt amüsiert.
„Nicht die Neuen, sondern vielmehr die Altgedienten, die wissen, dass ihre Pension geradezu lachhaft daherkommt und ein Barbecue pro Monat das höchste der Gefühle sein wird.“
„Sie können doch nicht unsere gesamte Abteilung aushöhlen.“ lachte Benson.
„Ich fordere einige Leute aus Phoenix an, und ein paar Ehemalige. Ich will eine Sonderkommission der absoluten Geheimhaltungsstufe.“ zischte Linklater.
Kostic kam aufgeregt zurück an die Eingangstür des Hauses und sagte:
„Gentlemen, wir haben eine Überlebende gefunden!“




Teil 2 am FREITAG, 31.01.2014