Donnerstag, 13. Februar 2014

LORD DELUXE – Aus der Nase eines Killers TEIL IV



LORD DELUXE – Aus der Nase eines Killers 
 TEIL IV

Seine Untersuchung konzentrierte sich unter anderem auf die Umgebungen, die die Bildung der Objekte begünstigten, zum Beispiel Baustellen und Minen, auch Kriegsgebiete, in denen man mit vielen verschiedenen Schadstoffen in Berührung kommt.
Da die Berufsfelder sich immer schneller von toxischen Arbeitsplätzen wegbewegten, fiel die Prognose für die Popelbildung eher pessimistisch aus. Zumindest wurde der weichen Popelart eine gewisse Chance eingeräumt, da sie sich auch in den vier Wänden eines Büros bilden konnte. Dort konnten diverse Exemplare auch eine gewaltige Größe entfalten. Doch der felsige, brockige Popel des alten Industriezeitalters würde in der immer digitalisierteren Welt zunehmend seltener werden.
Benson forderte die Menschen im Internet auf, auch Foto von älteren Objekten einzureichen, doch diese waren äußerst selten, weil man solche Dinge ungern fotografierte und meist sofort nach Zutageförderung diskrekt entsorgte.
Als Benson in Erwartung der Fleischmedaillons seine E-Mails durchsah, stieß er auf eine mit Anhang versehene Nachricht von einem Mann, der sich „Der Lord“ nannte. Benson stutzte und las:

„Mit Freude habe ich von ihrem Buchprojekt erfahren und hoffe, mit diesem Bild, das vergangene Woche aufgenommen wurde, einen kleinen Beitrag leisten zu können. Ich hatte leider kein Zentimetermaß zur Hand und nahm als Größenvergleich meinen eigenen Mittelfinger. Ich versichere Ihnen hiermit, dass es sich um keine Fotomontage oder sonstige Manipulation handelt, und zusätzlich sei erwähnt, dass es nicht meine Gewohnheit ist, Nasendreck zu dokumentieren, doch in diesem speziellen Fall hielt und halte ich es durchaus für angebracht. Ich gehe einmal davon aus, dass dieses enorme Ergebnis ein Nebenresultat meiner kürzlichen Nasen-OP ist.“

Benson sah sich das Foto an.
Neben einem leicht überdurchschnittlich langen männlichen Mittelfinger, von den übrigen isoliert gehalten wie bei der bekannten obszönen Geste, lag ein Popel von berauschender Schönheit. Es war eine sogenannte Mischform aus harten und weichen Elementen, von Benson scherzhaft Globetrotter genannt, weil er über den Besitzer oder Wirt zumindest die sicherer Aussage fällte, sich sowohl viel Zeit in der Gegenwart schmutziger Luft als auch in beheizten Räumen aufgehalten zu haben.
Nur in der Nase eines Menschen, der sich in vielen verschiedenen Umgebungen innerhalb kurzer Zeit aufhielt, konnte ein derartiges Exemplar zur Entfaltung kommen.
Benson starrte verblüfft auf das Foto, vergrößerte es und betrachtete die krustige, braun-grau schimmernde Beschaffenheit, unterbrochen von weißem Glibber wie eine Quarkspur, und ganz haudünn durchzogen von zartroten Blutfäden, wie Kirschsirup auf einem Dessert.
Der lange, grüngelbliche Schweif des eleganten Objekts ließ ein wenig an das Rinnsal einer gerade entstehenden Quelle denken, auch an einen exotischen Wurm, doch durchsetzt von kleinen harten, kraterähnlichen Applikationen. Benson nahm seinen eigenen Mittelfinger als Vergleich. Der Popel war länger als der Finger auf dem Foto und erst recht länger als sein eigener.
Falls ihm keine Fotos schönerer Exemplare geschickt wurden, wovon er ausging, galt dieser als der schönste dokumentierte Popel der Welt.
Obwohl das Buch bislang nur halb fertig war, juckte es Benson, das Foto vorab zu veröffentlichen und schrieb eine Antwort an den Mann, der sich Lord nannte, beglückwünschte ihn emphatisch und
fragte an, ob er seine Erlaubnis erteilen würde, das Foto als Vorankündigung für das Buch im Internet zu veröffentlichen.
Natürlich war sich Benson sicher, dass der Lord nichts gegen eine Veröffentlichung haben konnte, sonst hätte er ihm das Foto nicht geschickt. Doch Benson wollte gründlich sein und es nicht an Höflichkeit vermissen lassen, und tat in seiner Antwort so, als würde er den Lord nicht kennen ...
Seine Begeisterung ging Hand in Hand mit einer angeborenen Ungeduld, und er stellte das Foto sogleich auf seine Webseite und seine Plattformen in den sozialen Netzwerken.
Darunter setzte er den markigen Spruch, angelehnt an alte Superman-Comics:
„Ist es ein Meteor, ist es ein Artefakt, ist es ein Drache – nein es ist ...“ Die drei Pünktchen ließ er stehen, um die Spannung aufzubauen, und setzte unten in das Bild die Adresse seiner Webseite für das Buch.
Benson aß die fast erkalteten Fleischmedaillons mit Kartoffeln und Erbsen. Er schlief pflichtbewusst mit seiner Frau und lag noch eine Stunde wach im Bett, erforschte das Innere seiner Nase und dachte daran, dass er als Außendienstler auch häufig ansehnliche Exemplare in seiner Nase fand, und fragte sich beinah mit einer flehentlichen Melancholie, ob man außer den bekannten Voraussetzungen auch Talent für so ein wunderschönes Objekt mitbringen musste. Ob es gottgegeben war, etwas derartiges in der Nase entstehen zu lassen. Benson dachte daran, ob es möglich wäre, einen Popel in beiden Nasenlöchern wachsen zu lassen, der sich vor der Nase, herausschauend aus den Nasenlöchern, zu einem einzigen verbinden konnte. Er liebte auch die Vorstellung, mit einer verstopften Nase aufzuwachen und dann mit seinem Fingernagel einen besonders harten Kumpanen aus seiner Scheidewand zu brechen, zu hebeln, knirschend, krachend. Er spekulierte, dass so ein Gefühl durchaus mit dem von Sex konkurrieren könnte.

Nächster Teil Freitag 21.02.2014


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