Donnerstag, 5. September 2013

Fatum – Eine Fortsetzungsgeschichte. TEIL X


„Nett von dir, dass du die Anderen hierher begleitet hast. Wie geht es deiner Ferse?“
„Sie tut nicht mehr weh. Oh Götter, warum hat man dir das nur angetan?“
Caecus sah sie prüfend an. Der Blick war so durchdringend, dass Marisca ihm ausweichen musste.
„Du kannst mich nicht ansehen. Warum?“ fragte er.
„Ich bin eingeschüchtert.“
„Sieh mir in die Augen, Volusa!“
Sie gehorchte.
Und nun dämmerte es ihr. Er verdächtigte sie, seine Wohnung ausgekundschaftet zu haben, um den Einbrechern Bericht zu erstatten, damit sie ihn überfallen konnten.
Dieser Blick sagte es ihr. Und er sagte ihr auch, wie sehr Caecus' Verstand sich bemühte herauszufinden, ob Marisca vielleicht eine Spionin vom Aventin war.
„Ich sehe keine Heimtücke in deinen Augen, Volusa. Und als du vorhin mit den Sklaven hier hereingekommen bist, sah ich aufrichtige Besorgnis. Mir ist bewusst, dass du dir die Verletzung absichtlich zugefügt hast, doch glaube ich nicht, dass du mich bespitzeln wolltest.“
„Ich schwöre dir bei allen Göttern, dass ich damit nichts zu tun habe!“
„Lass mal die Götter aus dem Spiel. Das war ein Akt der Rache. Irgendjemand wollte Vergeltung für einen Raubzug üben, und da sie an Pictor nicht persönlich herankommen, hatten sie es auf mich abgesehen. Es ist bekannt, dass ich einer der besten Maler in der Stadt bin. Mich arbeitsunfähig zu machen, würde Pictor empfindlich schwächen.“
„Aber das wird nicht eintreten, weil du Linkshänder bist.“
„Eigentlich bin ich mit beiden Händen geschickt und habe auch schon gleichzeitig mit der Linken und der Rechten gemalt. Aber die linke Hand ist einen Hauch besser.“
„Was für eine Fügung.“
„Aber ich wollte noch wegen etwas anderem mit dir reden.“
„Ja?“
„Dieser Anschlag hat mir etwas bewusst gemacht. Ich lebte in meiner selbstgewählten Abgeschiedenheit und vergaß, was das Leben ausmacht. Vor einem halben Jahr ist meine Frau gestorben. Ich habe ihrer Seele versprochen, dass ich nie eine Andere lieben werde. Doch was ist, wenn ich morgen sterbe? Oder wenn ich noch viele Jahre lebe und mir aus Treue das Glück verbiete? Hätte meine Frau das gewollt? Sie war ein guter Mensch und hatte immer nur mein Bestes im Sinn. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich zum Narren mache, aber ich würde dich gerne mal auf einen Spaziergang durch einen Portikus einladen, vielleicht auf dem Marsfeld, zum See des Agrippa. Wäre das eine Zumutung für dich?“
Der künstliche See des Agrippa galt seit jeher als ein Treffpunkt für Verliebte.
Marisca erlebte ihr unbekannte Schauer der Entzückung. Wie schnell konnte ein Unglück seine Richtung ändern und sich in Glück verwandeln …
„Lieber Caecus, mein Meister, es ist nicht nötig, mit mir die Rituale des Werbens und die langwierigen Prozeduren des Kennenlernens zu durchleiden. Seit ich dich das erste Mal gesehen habe, denke ich jede Stunde an dich. Es stimmt, ich habe mich absichtlich verletzt, um dein Mitleid zu erregen, doch es ging mir nicht darum, den Einbrechern Informationen zu geben oder um mich als deine Schülerin zu bewerben. Es ging mir nur um dich. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Eine alte Freundin von mir, die leider nicht mehr lebt, hat mir einmal die Frage gestellt, ob ich kemals verliebt gewesen war. Ich verneinte diese Frage. Würde sie mich heute fragen ...“
„Ich ahnte ja nicht, wie ernst es dir ist.“
„Du bist ein wundervoller Mann.“
„Wer hat dich geschickt? Fortuna? Venus? Niemals hätte ich geahnt, so etwas noch einmal zu erleben.“
„Vielleicht wollte uns das Schicksal ein Geschenk machen.“
Sagte Marisca und blinzelte verzückt.
„Wer bist du? Woher kommst du, Volusa?“
„Ich bin die Tochter einer ehrbaren Familie, die es leider nicht mehr gibt. Es stimmt dass ich einst den Aventinern verpflichtet war, trug dafür aber keine Verantwortung. Mein Vater hat sich auf diese Verbrecher eingelassen, und alle außer mir haben es mit dem Leben bezahlt. Irgendwann lernte ich ein Mädchen aus einem reichen Hause kennen, dem ich geschenkt wurde. Doch in der Villa der Familie gab es ein Blutbad. Es wurde später vertuscht. Und ich floh. Ich traf die Entscheidung, mein Glück auf dem Esquilin zu versuchen und bin schließlich bei Pictor gelandet.“
„Ist er dein Liebhaber?“
„Ich will vor dir gar nicht leugnen, dass ich zu einer Lupa gemacht worden bin. Doch einen Liebhaber, so wie du es verstehst, habe ich nicht. Und seit ich bei Pictor wohne, muss ich auch nicht mehr auf die Straße.“
„Warum hat er dich zu sich geholt? Aus reiner Menschenliebe?“
„Er hegt die Idee, dass ich ihm dabei behilflich sein kann, den Aventinern zu schaden.“
„Du lebst in dieser ehrlosen Gemeinschaft im ersten Stock. Ich weiß was das für eine Frau bedeutet.“
„Ich schäme mich.“
„Wenn du es wirklich ehrlich mit mir meinst, dann musst du von dort verschwinden. Wenn wir uns zusammentun, wäre diese Situation ,wie sie jetzt ist, untragbar. Wir müssen einen Weg finden, dich dort rauszuholen.“
„Ich wollte sowieso weg von Rom.“
„Hattest du nicht etwas von Korsika gesagt?“
Korsika, Sicilia, Malta … Ist doch einerlei.“
„Sehe ich genauso.“
Marisca lächelte Caecus verliebt an.
„Ich glaube, wir werden uns gut verstehen.“ sagte Caecus, von Mariscas Lächeln verzaubert. „Erstmal sollten wir alles so beibehalten. Morgen kann ich das Hospital verlassen.“
„Willst du wieder in deine Wohnung zurück? Dort ist es doch nicht sicher … Das heißt, jetzt schon.“
„Richtig, sie haben keinen Grund mehr mir zu schaden, weil sie denken, dass ich nun für immer arbeitsunfähig bin. Sie glauben, der große Caecus ist ein Krüppel.“
Beide grinsten.
„Du, Volusa, gehst gleich wieder brav in die Werkstatt. Sag mal, bist du Pictor gegenüber verpflichtet?“
„Nicht wirklich. Er hat mir sogar gesagt, dass ich gehen kann, wenn ich will.“
„Tatsächlich?“
„Ja. Meinst du er lügt?“
„So wie seine Privaträume aussehen, mit all ihrer Transparenz, so ist auch Pictors Wesen. Er liebt es auf feuchtem Putz zu malen. Nichts bindet er an sich, außer der Arbeit. Na ja, selbst die hält er auf Distanz. Deswegen gibt es mich. Und darin liegt die Schwierigkeit. Ich bin wichtig für Pictor. Er hat keine Lust, sich selbst wieder in die Werkstatt zu stellen. Das wird unser größtes Problem werden. Die Sklaven sind mir treu ergeben. Sie gehören Pictor, aber sie hören auf mein Wort. Pictor ist der Caesar im Hause, aber ich bin der Legat, der an vordester Front steht. Einem von ihnen werde ich einen Spezialauftrag geben. Er soll sich nach Ostia begeben und erkunden, wann Schiffe nach Sicilia fahren. Ich habe ein wenig Geld. Wir könnten tatsächlich verschwinden und uns auf einer der bevorzugten Inseln niederlassen. Mit meiner gesunden linken Hand könnte ich unser Auskommen sichern, und du könntest zu Hause bleiben und bräuchtest nur die einfachen Aufgaben einer Gattin erledigen.“
„Oh Caecus, Liebster, das wäre so schön!“
Und nun küssten sie sich, ohne zu zögern. Bessere Gefühle gab es nicht.

 

Nächster Teil Freitag, 13.09.2013

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