Freitag, 20. September 2013

Fatum – Eine Fortsetzungsgeschichte. TEIL XII


Mit großer Freude und lautem Jubel wurde der verletzte Caecus auf einer schlichten Sänfte in den Innenhof getragen. Alle mochten ihn, besonders seine Malergehilfen. Ihm war erlaubt worden, ein paar Tage in dem Anwesen zu nächtigen und sich pflegen zu lassen, damit er wieder zu Kräften kam. Pictor machte ihm seine Aufwartung und lobte ihn vor allen Bewohnern und der Sklavenbelegschaft für seine Tapferkeit.
Marisca hielt sich ein wenig zurück, und sie hatte beobachtet, wie sich einige zwielichtige Männer im Haus eingefunden hatten. Eine Sklavin erklärte ihr, dass Pictor für diesen Abend einen Raubzug zu einer Villa auf dem Caelius geplant hatte.
Marisca hörte es sich an und bekam die Hoffnung auf eine Möglichkeit, Caecus so bald wie möglich allein zu sprechen. Auf keinem Fall wollte sie ihn in die Mordpläne von Pictor einweihen. Diese Information wollte sie ihm nicht zumuten, sondern nur lieb zu ihm sein und mit ihm von einer schönen Zukunft sprechen. Doch momentan schien ihr diese Zukunft wie ein Schatz hinter einem tonnenschweren Eisentor verborgen. Und der Schlüssel zum Tor hieß Mord.
Caecus wurde gewaschen und gesalbt, bevor man ihn in ein kleines Zimmer im oberen Stockwerk trug und mit Wein und Speisen bewirtete. Derweil machten sich Pictor und seine Männer bereit, das Haus zu verlassen.
„Sie gehen zum Haus dieses reichen Medicus“ sagte Scaurus vertraulich.
„Er hat tausende Denare mit falschen Zaubersprüchen gerafft. Heute wird ihm keiner davon helfen.“
Marisca wollte davon nichts wissen und wartete, bis sich alle Dienstsklaven aus Caecus' Zimmer entfernt hatten.
Da der Raum keine Türen und Wände besaß, wurde er von ein paar roten Vorhängen vom Rest der Zimmer isoliert, damit Caecus seine Ruhe hatte.
Marisca schob vorsichtig den Stoiff beiseite und lugte hinein. Caecus erblickte sie sofort und lächelte.
Marisca strümte zu ihm und berührte sein Gesicht, weil sie sich aus Rücksicht auf seine Verletzung nicht traute, ihn zu umarmen. Caecus legte seine linke Hand auf die ihre. Marisca beugte sich zu ihm herunter und küsste ihn zärtlich. Er sagte:
„Ich habe es also nicht nur geträumt, als ich im Hospital lag. Dich gibt es wirklich. Du Abgesandte des Schicksals.“
„Mein Liebster, ich habe gute Neuigkeiten!“
Caecus sah sie neugierig an. Nun präsentierte sie ihm eine Lüge, die sie sich in den letzten Stunden mühevoll ausgedacht hatte. Demnach hatte sie einen alten Freund ihrer Eltern getroffen, einen reichen und gütigen Mann, dem sie von ihrer und Caecus' Misere erzählte und der versprach, Marisca für eine hohe Summe frei zu kaufen und eine Schiffsfahrt nach Korsika zu arrangieren.
„Mein Schatz, das ist in der Tat eine tolle Nachricht!“ sagte Caecus, der jedoch schnell erkannte, dass Marisca nicht die Wahrheit sagte. Die Lüge klang zu rein, zu schön um wahr zu sein. Doch er sagte nichts, da er vermutete, Marisca wollte mit dieser frohen Geschichte seine Genesung beschleunigen. So schwiegen und logen sie sich an, und für diesen Moment schienen die Folgen kaum von Belang, da sie nun zusammen waren und sich berühren und küssen konnten.
Auf wundersame Weise empfand Marisca in Caecus' Gegenwart eine neue Unschuld, so als hätte es die letzten Jahre der Schande nie gegeben. Sie fühlte sich mehr und mehr wieder wie Volusa, die wohlerzogene Tochter, der reine und naive Mensch, der zum ersten Mal erlebte, was Liebe sein konnte.
„Oh mein Schatz, mein Liebling, meine Venus ...“ sang Caecus ihr ins Ohr, als sie seinen Hals küsste und ihn zärtlich, aber keinesfalls unzüchtig streichelte.
„Caecus, mein Gebieter, wir werden uns retten, wir werden aufs Meer fahren, dem Glück entgegen ...“ Sie sagte dies und spürte den heißen Stachel der herkulischen Aufgabe, die sie zu bewältigen hatte, versuchte sie sich mit ihrem Gemüt vertraut zu machen und konnte sich in einigen winzigen Momenten sogar vorstellen, es zu tun, Stolo zu töten.
„Mein Meister, mein Lehrer, mein Liebling, kann ich etwas für dich tun? Hast du einen Wunsch?“
„Bleib einfach bei mir, lege dich zu mir. Ich will dich nah bei mir spüren und mit diesem Gefühl einschlafen.“
Marisca legte sich vorsichtig neben Caecus auf das Bett und rückte nah an ihn heran. Sie streichelte sehr behutsam seine geschiente Hand und etwas sinnlicher seine Brust, und wenn er es verlangt hätte, wäre sie mehr als willig gewesen, ihn auf jede Art zu verwöhnen. Doch Caceus gab ihr nur seine lieben Küsse und tauchte mit dem Gesicht in ihr volles, pechschwarzes Haar. So lagen sie, und so schlummerte Caecus ein.
Marisca war zum Schlafen zu aufgewühlt, von Liebe, von ihrer schlechten Lüge und von ihrem Auftrag. Wie brachte man als zierliche Frau einen erwachsenen Mann um? Ihre alte Herrin Licina hatte es wahlweise mit ihren Giften getan, doch davon verstand Marisca nichts. Es musste eine Klinge sein. Irgendwo, im Stillen, im Dunkel, wie ein Geist, wie etawas Unmögliches.
Mit aller Vorsicht schlängelte sich Marisca aus der Umarmung des schlafenden Caecus heraus und verließ das Zimmer. Die schweren Umhänge waren in der Lage, im Innern eine angenehme Stille zu bewahren, denn nun, als sie durch die anderen Räume wanderte, hörte sie mehrfache wollüstige Laute aus dem Triklinium, dem Speiseraum.
Marisca ließ sich unten bei den Sklaven ein kleines Nachtmahl zubereiten und ging damit in die Werkstatträume, um ihre Unruhe mit ein paar Malübungen zu vertreiben.
Es funktionierte. Wie durch ein Wunder schaffte es der Prozess des Malens, die Gedanken und Gefühle zu besänftigen und verliehen Marisca die Fähigkeit, sich die Dinge zuzutrauen, die vor ihr lagen. Und dabei half auch das Motiv, an dem sie arbeitete ...
 
 
 
Nächster Teil Freitag, 27.09.2013

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