Donnerstag, 12. September 2013

Fatum – Eine Fortsetzungsgeschichte. TEIL XI


Als Marisca zum Anwesen zurückkehrte, teilte ihr einer der Sklaven mit, dass Pictor sie im Bade zu sprechen wünschte.
Dort lag er in seinem bronzenen Zuber, flankiert von zwei jungen Lupas mit blondem Haar, während das heiße Wasser so sehr dampfte, dass man kaum die Hand vor Augen sah.
Pictor, der den beiden Grazien jovial die Nacken kraulte, fragte Marisca:
„Geht es Caecus besser?“
„Ja, Herr. Und er ist guter Dinge. Er wird wieder gesund.“
„Du magst ihn, hm?“
Marisca war sich nicht sicher, ob eine Bejahung dieser Frage einen Nachteil ergeben würde. Sie zögerte. Doch in ihrem Herzen floss der Honig der Liebe, durch ihren Leib strömte dieses bislang ungekannte Glücksgefühl, was ihren Verstand ein wenig lähmte:
„Ja, ich mag ihn, Herr.“
Die beiden Germaninnen sahen Marisca an, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Pictor lächelte:
„Immer noch daran interessiert, für mich etwas zu tun?“
„Ja, Herr. Woran denkt ihr?“
„Ich möchte dass du zurück gehst, auf den Aventin, dort wo du einst hingehörtest.“
Marisca nickte verunsichert. Pictor fuhr fort:
„Erzähle Stolo, dass Du nach dem Tod der Licina herumgeirrt bist, dass du niemanden gefunden hast, der dir hilft und dass du deine alten Aufgaben wieder erfüllen möchtest.“
„Und welche List steckt dahinter?“
„Dass du sein Vertrauen erhältst.“
„Er hatte nie einen Grund, mir zu misstrauen.“
„Umso besser, Kleine. Kundschafte alles aus, versuche so oft wie möglich, dich in seiner Nähe aufzuhalten. Und dann, wenn sich eine gute Gelegenheit ergibt, tötest du ihn.“
Pictor sah sie mit einem derart eindeutigen Blick an, dass sie keinen Grund hatte, dies als Scherz zu verstehen.
Töten sollte sie ihn, ihren alten Herrn, ihren alten Zuhälter.
„Patronus, ich bin eine Lupa, ein schwaches Mädchen. Stolo ist ein großer kräftiger Mann. Er umgibt sich fast immer mit Menschen, ist beschützt. Ich habe keine Erfahrung im-“
„Stolo ist eine Tunte. Und somit besitzt er ein paar weibische Eigenschaften, und eine davon ist die Leichtgläubigkeit. Ich bin mir sicher, mit deinem scharfen Verstand wirst du es bewerkstelligen, eine Gelegenheit zu bekommen, diesen Auftrag zu erledigen. Die Einzelheiten sind mir egal.“
„Aber ich kann so etwas nicht. Und ich will niemanden töten ...“
Sie dachte daran, dass Stolo ihre Familie hatte ermorden lassen. Und sie dachte auch daran, dass er zu ihr immer gut gewesen war. Pictor wurde lauter:
„Woher willst du wissen was du alles kannst oder nicht kannst? Du willst nicht? Sagtest du mir nicht gerade eben, dass du Caecus gern hast?“
Marisca nickte ängstlich.
„Und du willst mit ihm zusammen sein, hm? Ja, das würde ich ihm gönnen, denn du bist trotz deines Straßendrecks eine gute Frau. Du warst mal ein ehrbares Mädchen, und du hast die Kraft, wieder eins zu werden, mit diesem Mann.“
„Wollt ihr mir anbieten, ihn und mich frei zu geben, wenn ich es tue?“
„Davon war nicht die Rede. Du musst wissen, ich bin kein so guter Mensch wie dein Caecus. Nein, ich bin ein mieses Schwein. Deshalb geht es mir auch so gut.“
Marisca wartete, bis Pictor fortfuhr. Die Mädchen lächelten und begannen, Pictor die Brust zu steicheln. Der Nebel des Wasserdampfes verflüchtigte sich langsam.
„Wenn du meinen Auftrag nicht ausführst, werde ich Caecus so übel zurichten, dass er dir wie ein Mensch vorkommen muss, der in der Arena nur mit knapper Not den Bestien entkommen ist. Wiedererkennen wirst du ihn nicht. Nur seine linke Hand, die wird unversehrt bleiben.“

Mit wackligen Knien durchquerte Marisca das Peristyl - den Innenhof.
Die Sklaven liefen geschäftig umher und achteten nicht auf sie. Marisca stieg hinauf in den ersten Stock und legte sich in einem der kleineren Zimmer auf ein Speisesofa nieder. Aus dem großen Triklinium hörte sie Lachen und Feixen.
Sie aß ein wenig Brot, griff zu einer Weinamphore und trank einen tiefen Schluck, ganz unverdünnt. In ihrem Kopf herrschte ein dumpfes Chaos, vernebelt, wie in dem Raum mit dem Badezuber.
Nach einiger Zeit trat der leicht angetrunkene Asellio ins Zimmer. Sie mochte ihn nicht besonders, aber das hatte keinen besonderen Grund. Er legte sich zu ihr und begann, ihr Hinterteil zu entblößen.
Nachdem er sich ergossen und einen weiteren Becher Wein geleert hatte, fing er zu reden an:
Also du wirst die Sache mit Stolo erledigen … Er wird kriegen was er verdient.”
Marisca fragte nach:
Aber warum nur? Warum hegt der Patronus mit einem Mal so einen Groll gegen Stolo? Nur weil er ein einflussreicher Aventiner ist?”
Kleine Blume, der Krieg ist immer im Gange, auch wenn wir uns mit den Aventinern nicht mitten auf den Foren an die Gurgel gehen. Stolo und Pictor behaken sich schon eine ganze Weile, echt langweilig, und die Bonzen vom Marsfeld sehen amüsiert dabei zu. Hey, ist dir gar nicht diese piekfeine Schlampe aufgefallen, mit der Pictor in letzter Zeit gevögelt hat?”
Die Senatorenfrau? Sie hat geweint ...”
Das ist nicht nur eine Senatorenfrau. Sie ist die Frau eines Mannes, der ein Bindeglied ist zwischen den Aventinern und den Syrern, und Pictor wollte ihm eine Falle stellen, mit der Untreue seiner Frau. Stolo hat davon Wind bekommen und dem armen Caecus einen Besuch abgestattet.”
Dann ist Stolo für den Überfall verantwortlich?”
Asellio brauchte nicht zu bejahen.
Also wenn du eine kleine Lupa bist, die ein einziges Mal einen Geschmack davon bekommen möchte, was so elde Dinge wie Habgier und vor allem Rache bedeuten, wirst du dich deiner Aufgabe mit großem Enthusiasmus widmen wollen.”
Während ihr Asellio in seiner Gier nach einem erotischen Nachschlag den Stoff von den Schultern streifte und begann, ihren Nacken zu küssen, versuchte Marisca, das Wort “Rache” in ihrem Verstand gähren zu lassen. Vielleicht konnte es helfen, entschlossener zu sein, kaltblütiger. Aber sich selbst als Mörderin zu sehen, fiel ihr nicht einfach nur schwer. Es war ihr unmöglich. Noch.

 
 
Nächster Teil Freitag, 20.09.2013

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