Donnerstag, 26. September 2013

Fatum – Eine Fortsetzungsgeschichte. TEIL XIII


Bis zum Fuße des Aventin-Hügels wurde Marisca mit einer Sänfte getragen. Dann wurde ihr befohlen, den Rest des Weges zu Fuß zurück zu legen, um keinen Verdacht zu erregen.
Das Haus des Aventiner Unterbosses Stolo und der verstorbenen Licina bafand sich direkt am Tiber, und je näher Marisca diesem Anwesen kam, desto unnachgiebiger wirkte der Sog der Erinnerungen an ihr altes Leben. Zum Schutz vor Begegnungen mit alten Freiern und anderen sinistren Gestalten trug sie ihre Palla ganz über den Kopf gezogen, wie zum Gebet oder zum Opfer. Nachdem sie den Circus Maximus und den Palatin passiert hatte, war es nicht mehr allzu weit. Mariscas Herz pochte, und ein verrückter Gedanke ließ sie glauben, sie könne schon Stolos aufdringliches Parfum riechen, als ob es durch die Straßen kroch wie ein böses Fieber.
Vor dem Eingang von Stolos Anwesen standen andere Wächter als früher. Sie kannten Marisca nicht und ließen sich von einem Sklaven des Hauses bestätigen, dass es sich bei ihr um eine alte Freundin des Hauses handelte. Einer der Vigiles deutete an, Marisca nach seinem Dienst besuchen zu wollen, doch sie blieb gekonnt unverbindlich.
Das Haus war größer als Pictors Domizil auf dem Esquilin, doch es fehlte die einladende Transparenz. Im oberen Stock gab es nur verschlossene Türen, und auch hier unten im Peristyl konnte man nicht ohne weiteres die von dort abzweigenden Räume betreten.
Marisca wusste noch ganz genau, wo sich die alte Giftküche der Licina befand, und auch die privaten Räume des Stolo, in denen er seine homoerotischen Stelldicheins feierte.
Als sie einen Blick zur nördlichen Stirnseite des Innenhofs warf, fiel ihr sofort dieser Pflock auf, kerzengrade im Boden fixiert. Auf seiner Spitze steckte ein abgeschlagener Kopf. Marisca bewegte sich darauf zu. Nein, den Besitzer dieses Kopfes kannte sie nicht, es schien ein etwas älterer Mann gewesen zu sein. Und sofort dachte sie an den bewussten Senator, dessen Frau mit Pictor verkehrt hatte.
Viele Fliegen schwirrten um das traurig dreinblickende Haupt herum, aus dessen Hals kleine Bluttropfen fielen, und es roch nach Flieder, weil man es vorsroglich parfumiert hatte, um den Gestank zu unterdrücken.
Der Sklave, der sie wiedererkannt hatte, tauschte herzliche Worte mit ihr aus und führte sie zunächst in die Gesinderäume, wo sie etwas zu essen und zu trinken bekam.
Nach einer knappen halben Stunde teilte man ihr mit, dass Stolo von ihrem Eintreffen unterrichtet worden war und im kleinen Triklinium darauf wartete, sie zu begrüßen.
Stolo – ihr alter Herr, ihr Zuhälter, Mörder, Dieb, Intrigant, Lebemann und Höflichkeitsfanatiker. Marisca nahm einen tiefen Schluck des billigen Landweins, drapierte sich ihre Palla zurecht und betrat den Raum.
Stolo lag, seine ganze imposante Körperlänge ausgestreckt, auf der Kline, dem Speisesofa, und mampfte einen bunten Kuchen, während ihm ein kleiner, sauber enthaarter Sklave, der nicht mal 14 Lenze zählen mochte, das Geschlecht mit Honig einrieb.
Marisc konnte an der rechten Kopfseite des Sklaven eine dunkle Wunde erkennen und erinnerte sich mit Schaudern an Stolos Vorliebe für die Ohren hübscher Knaben.
Marisca … Bei Juno und Bona Dea, ich habe mir solche Sorgen gemacht! Was für eine Tragödie mit Licina und deiner kleinen Freundin … Oh Gram, oh Verlust ...”
Stolo schien aufrichtig betrübt über den Verlust seiner Kumpanin Licina, das war unüberhörbar, doch, wie üblich, übertrieb er seinen Tonfall theatralisch.
Mein Kind, bitte lege dich doch einen Augenblick nieder.”
Danke, Patronus. Ich bin so glücklich, dass ihr mich empfangt. Ich wusste weder ein noch aus.” Sie hörte ihre eigene Stimme und fand, dass sie recht glaubwürdig klang.
Marisca legte sich auf eine kleinere Kline, Stolo gegenüber.
Sie erzählte ihm eine unspektakuläre Geschichte darüber, wie sie die letzten Tage verbracht hatte und achtete penibel darauf, keine Dinge zu erzählen, die Stolo's Aufmerksamkeit entfachen konnten. Sie bekam Wein und Kuchen, und sie tat so, als wäre sie sehr hungrig.
Also, meine kleine Tittenmaus, was machen wir nun mit dir?”
Diese Frage konnte ein gutes Zeichen sein. Marisca spürte, dass sie durch ihr Überleben eine gewisse Steigerung ihrer Achtung erfuhr.
Ruhe dich erstmal aus, mein Liebling. Stärke dich. Vielleicht färben wir dir das Haar, was meinst du?”
Ihr fragt mich? Nun, das ist reizvoll. Wünscht ihr mich blond?”
Syrer mögen blonde Mädchen. Und jene Syrer schauen vielleicht nicht so genau auf eine geschäftliche Verhandlung, wenn eine blonde Venus neben mir sitzt. Bist du eigentlich versiert im Priesterfach?”
Ich kenne einige Verse und Rituale, aber-”
Hervorragend. Ich schicke dich nicht mehr auf die Straße. Du bist gelitten und besitzt nun eine neue Art von Stolz, einen Glanz der Würde, der dir zuvor gefehlt hat. Ich kann es sogar in deinen Augen sehen ...”
Das ist die Liebe, dachte Marisca, die Liebe zu Caecus, die in ihren Augen stand. Und ein gewisser Stolz auf ihre eigene Klugheit. Doch dahinter knurrte auch die Angst, aber die wusste sie zu verbergen. Darin kannte sie sich aus.
Erst badest du. Dann enthaarst du. Und später leistest du meinem Gast aus Nicomedia Gesellschaft. Ich will, dass du ganz offen für ihn bist und keinen Dienst verweigerst.”
Ich bin offen wie das Meer, Herr. Offen wie der Himmel. Dein Gast kann auf mir fliegen wie ein Adler.”
Marisca schnüffelte in sich hinein. Sie fühlte, dass es funktionierte ...




Nächster Teil Freitag, 04.10.2013


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