LORD DELUXE –
Aus der Nase eines Killers
TEIL VIII (von X)
Benson saß zu Hause
und arbeitete an seinem Buch. Er hatte schon 150 Seiten zusammen, und
so langsam stellte sich bei ihm ein Gefühl des Stolzes ein. Er, der
damals auf der Akademie vor jeder schriftlichen Arbeit
Schweißausbrüche bekommen hatte, schrieb nun wie ganz
selbstverständlich ein Buch, darüber hinaus über ein Thema, über
das es so gut wie keine seriöse Literatur gab. Was jedoch seine
Euphorie ein wenig trübte, war dieser Anruf von Linklater. Man hatte
Misses Paradopoulos erschossen in einem Hotelzimmer aufgefunden. Nun
wurde die ganze Ermittlung wegen ihrer eventuellen Verbindung zu dem
Mullinger-Massaker wieder aufgewärmt.
Benson gesellte sich
zum Abendessen zu seiner perfekt ondulierten Frau und aß mit ihr
Nackensteak mit Kroketten und einer tristen braunen Soße.
Dann bekam er einen
neuen Anruf. Man hatte nun die Wohnung von Paradopoulos durchsucht
und in ihrem Gefrierfach ein Tupperdöschen mit einem seltsamen
Objekt gefunden. Linklater äußerte den Verdacht, es sei irgendein
totes Tier oder eine seltene Frucht, doch Benson bestand darauf, den
Fund selbst in Augenschein zu nehmen und fuhr sofort zum Büro. Er
hatte sogar vergessen, seine Hausschuhe durch normale Straßenschuhe
einzutauschen.
Ja, der Popel in
Paradopoulos' Gefrierschhrank war schön, aber nicht zu vergleichen
mit dem Meisterwerk auf dem Foto des Lords. Im Büro wusste niemand,
dass er an diesem Buch schrieb, und er wollte es auch nicht an die
große Glocke hängen. Es würde sowieso unter einem Pseudonym
erscheinen.
Benson gab grünes
Licht, den bereits halb aufgetauten Popel zu entsorgen. Auf dem Weg
nach Hause überlegte er, ob er den Lord anrufen sollte, hatte aber
Angst davor, nachdem er ein paar Stunden zuvor seine Mailbox abgehört
hatte. Man musste die Drohungen dieser Leute ernst nehmen, egal ob
man Direktor beim FBI war oder gar Präsident der Vereinigten
Staaten.
Ob Washington und
Lincoln schöne Popel gehabt hatten? Vielleicht besonders Schöne in
ihren schwierigsten Momenten als Staatsgründer und Präsident? Nach
besonders harten Entscheidungen und bedeutenden Reden … Vielleicht
hatte Lincoln nach Gettysburg einen besonders Markanten zu Tage
fördern können. Länglich, grimmig verbogen, klebrig und mit
Kanten, die vielleicht ein kleines Nasenbluten verursacht hatten.
Benson wusste nun,
dass Paradopoulos Bücher über außergewöhnliche Dinge gesammelt
hatte, auch über große Persönlichkeiten. Wie sah ein Popel von
Julius Caesar aus? - Von einem wie ihn, weit gereist, acht Jahre an
gallischer Front und schließlich den Geruch Roms in seinem größten
Triumph einatmend? Ein Popel wie ein Onager, wie die
Schildkrötentaktik der Legionäre ...
Churchills Nase bot
durchaus genug Platz für eindrucksvolle Exemplare. Wobei ein Popel
von beispielsweise Marcel Proust nur jämmerlich und cremig daher
kommen würde, weil der arme Mann jahrelang im Bett verbracht hatte.
Benson dachte darüber nach, wie die Popel von Sträflingen aussahen,
oder die von Soldaten auf Kuba. All das hätte schon längst
untersucht werden müssen.
Und er wusste immer
noch nicht, ob Tote Popel bilden. Selbst er, der ständig mit Toten
zu tun hatte, immer Kontakt zu forensischen Medizinern pflegte, war
darüber nie in Kenntnis gesetzt worden.
So vieles lag noch
im Unbekannten, und der stellvertretende FBI-Direktor Benson wusste
um den Lord und verschaffte ihm seine Aufträge, verriet seine
Behörde für eine gar nicht mal so hohe Summe Geld, gerade genug, um
ihn gierig zu halten.
Den Weg nach Denver
nutzte der Lord, um seine Mutter zu besuchen. Sie war für ihre 83
Jahre sehr rüstig und half gerne bei jungen Eltern im Haushalt mit
und verdiente sich ein paar Dollar dazu.
Sie liebte es,
französisch zu kochen und bereitete ihrem Sohn ein fantastisches
Ratatouille, für das allein es sich schon lohnte, die fröhliche
alte Dame zu besuchen.
„Timmy, ich glaube
du brauchst einen neuen Rollkragenpulli. Der da ist ja schon völlig
speckig. Den kriegst du nicht mehr sauber.“
„Du, das soll so
aussehen, das ist so ein neuer Trend, der-“
„Ach erzähl mir
doch keine Märchen. Du immer mit deinen Lügengeschichten. Bist du
immer noch Vertreter? Das tut dir nicht gut, du brauchst eine Frau,
etwas Festes. Du siehst immer so unglücklich aus.“
„Ich bin
zufrieden, Ma. Mach dir keine Sorgen.“
„Zufrieden sind
auch Kühe auf der Weide. Ich sprach vom Glücklichsein.“
„Ich arbeite
daran, Ma.“
„Hast du immer
noch dieses Problem mit deinem Harndrang? Nie sprichst du darüber.“
„Nein, ich habe
mich behandeln lassen, Ma. Es ist alles in Ordnung. Das Ratatouille
ist köstlich. Aber ich schaffe nicht alles ...“
„Ich packe dir was
davon ein. Es freut mich doch, wenn es dir schmeckt.“
„Das ist lieb,
danke.“
„Hast du nicht
auch was für mich?“
Der Lord lächelte
geheimnisvoll und fischte eine kleine Aluverpackung aus seiner
Brusttasche. Seine Mutter gab einen spitzen Laut von sich:
„Du hast daran
gedacht! Timmy, du bist der beste Junge der Welt! Du ahnst nicht, wie
glücklich du mich damit machst ...“
Der Lord – Timmy –
ging zu seiner Mutter zur anderen Seite des Esstisches, gab ihr einen
Kuss auf die Wange und überreichte ihr die Aluverpackung. Die
Mutter, entzückt wie ein junges Mädchen, faltete die Verpackung auf
und blickte auf einen etwa vier Zentimeter langen, von bräunlich zu
hellgelb schattierten Globetrotter, einen Popel besonderer Güte.
„Nun hast du diese
große Nase. Wo kommt die nur her? Na ja, es heißt ja, dass die
Ohren und die Nase immer weiter wachsen, auch im Alter. Bei dir gab
es wohl einen Schub … Du weißt es noch allzu gut, nicht wahr? Wie
ich sie damals, als du klein warst, aus deiner süßen Stupsnase
geknabbert habe. Ich habe immer eine kleine Pinzette benutzt und dir
nie weh getan. “
Timmy lächelte:
„Doch, ein
einziges Mal, aber das war meine eigene Schuld. Ich habe mit dem Kopf
gezuckt.“
„Und nun diese
Prachtstücke. Man sollte sie mal irgendwo ausstellen.“
„So etwas
ähnliches habe ich auch vor, Ma. Aber so lange du dich weigerst, dir
Internet zuzulegen, wird es dir verborgen bleiben.“
Seine Mutter zuckte
mit den Schultern.
Der Lord sah ihr
dabei zu, wie sie mit einem kleinen Silberlöffel den
ausdrucksstarken Popel mit winzigen Bissen, um dem Genuss Raum zu
geben, verzehrte.
Er wollte ihr ein
paar Dollar zur Unterstützung geben, aber sie lehnte ab. Er könnte
sie mit seinen Honoraren komplett finanzieren, aber sie war eine
selbstständige stolze Frau, die sich über die Inhalte seiner Nase
mehr freute als über die seiner Brieftasche.
In seinem alten
Kinderzimmer schlief der Lord – Timmy – so gut wie lange nicht
mehr, und zum ersten Mal seit seinem 14. Lebensjahr masturbierte er
mal wieder in eine seiner getragenen Socken.
Er freue sich auf
Denver, weil er dort ein paar Leute kannte und alte Zeiten aufleben
lassen konnte. Aber zuerst musste der Job erledigt werden.
Nächster Teil Freitag, 21.03.2014
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