Zusammen im Bett
wurden alle Fragen verbrannt und allem getrotzt, was als Mysterien
diesseits oder jenseits des Sees herumschwirrte.
Sich ganz dem
Anderen und dem Wir zu widmen, wurde zu einer Rebellion, eine
Beweisführung für den freien Willen.
Tavie und Lennox
liebten sich hingebungsvoll und ohne Worte, sprachen nur durch
Berührungen und Blicke, und durch ihre Körper.
Der Winter schickte
ein wildes Schneegestöber über das Haus. Der See bibberte, die
weißen Wipfel standen starr und vereist. Im Innern der Holzhauses
wohnte die Wärme, so wie sie sich selbst am liebsten sah. Die Wärme
zweier Leiber und Seelen, sich erhaltend und beschützend und Wonne
schenkend. Das Innere des Hauses war nicht mehr und nicht weniger als
ein Fleck in einer Ödnis, eine kleine Unebenheit in der Savanne und
ein kleiner Stern in der Schwärze. Es war der Kontrast, der der Welt
einen Ausdruck gab, der ein Gesicht zum Lächeln oder zum Weinen, der
es wiedererkennbar machte.
Die Fensterläden
blieben verschlossen, der Kamin glühte, und die Balken knarrten im
Wind.
In den Laken blieb
alles geschützt und miteinander verwoben. Ein Knäuel des Guten,
wenn auch nur aus der Sicht der beiden Menschen, ohne eine Maxime zu
sein.
Der Schlaf
versiegelte alles. Er dauerte sehr lang und war nicht nur Schlaf,
sondern auch Beharren, wie das Graben eines Loches oder die
Errichtung eines Turms. Ehern und von Menschenhand gemacht. Bewusst
und voll von Selbstverständnis.
Lennox wusste nicht,
ob es Nacht oder Tag war, als er die Augen aufschlug.
Ihm fiel sofort auf,
dass der so vertraute Herzschlag, dieser liebliche Atem dicht bei
ihm, nicht mehr zu hören und zu spüren war.
Tavie lag auf dem
Rücken, die Augen geschlossen, und sie war nicht mehr am Leben.
Er sah sie nur an.
Es war nicht nötig, ihre Vitalzeichen zu überprüfen. Lennox lehnte
es ab, zu verstehen, was geschehen war. Er blickte in einen
grässlichen Abgrund, aus dem eine namenlose Stimme herausflüsterte
und sagte, dass nichts selbstbestimmt sein konnte, dass es alles
gestaltet und geplant wurde. Nah am Wahnsinn schloss er Tavies Körper
in seine Arme. Blitze des Irrsinns zermürbten ihn, scharf und
gleichzeitig schwer wie Felsblöcke.
Er wickelte ihren
Körper vorsichtig ein, von Kopf bis Fuß. Mechanisch hob er sie auf
seine Arme und trug sie hinaus auf den Steg. Das Boot war völlig
verschneit, aber das spielte keine Rolle. Er legte Tavie hinein und
stieß das Boot mit der Stange auf den See hinaus.
Lange saß er dort
und sah zu, wie das Boot langsam aus seinem Sichtfeld verschwand, so
als würde es gezogen werden. Lennox schaute gen Himmel, als könnte
er dort diese Kraft finden, die alles lenkte, die ihn und Tavie
zusammengeführt und getrennt hatte.
Als er fast erfroren
war, schleppte er sich zum Haus zurück, das nun ihm gehörte. Ein
Tausch hatte stattgefunden. Lennox konnte das alles nicht in seiner
Ganzheit fassen, das Erleben und die neue Einsamkeit, die er gut
genug kannte, von früher.
Innerlich vollkommen
taub, setzte er sich und nahm sich ein Buch, das irgendwo herumlag.
Lennox konnte nicht nachdenken, und wenn er ein Gefühl zuließ,
hätte es ihn zerstören können. Er sah die Pistole neben dem Kamin
liegen. Er nahm sie und legte sie vor sich auf den Tisch. Er konnte
sie jederzeit benutzen. Doch zunächst las er das Buch, eine amüsante
Geschichte um Eifersucht und Betrug. Er konnte Tavie überall an sich
riechen, und es liefen Tränen über sein Gesicht. Er kochte sich
einen Tee, zog sich einen von Tavies Pullovern an, legte Feuer nach
und spielte weiter. Das Spiel des Daseins. Er spielte atmen und
trinken, essen und gehen und sitzen und denken.
Es verging ein Tag,
und danach noch einer. Eine Woche flog vorbei, und ein neuer Monat
begann.
Es wurde irgendwann
milder. Der Schnee verschwand.
Lennox kümmerte
sich um den Gemüsegarten und legte neue Fallen aus. Ihm war es egal,
ob er nun ersatzweise Tavies Leben lebte oder sein eigenes in einer
anderen Form. Er ertappte sich dabei, wie er sich von Tavie erholte.
Das hieß nicht, dass er irgendeine neue Hoffnung aufkeimen ließ, er
hatte nur begonnen, eine neue Kälte in sich selbst zuzulassen. Wenn
er ehrlich war, dann musste er zugeben, das Absolute erfahren zu
haben, für eine sehr kurze Zeit. Doch von der Intensität konnte er
lange zehren, und wenn er tatsächlich glaubte, alles sei
fremdgesteuert, müsste er vielleicht jemandem danken.
Lennox hatte zu
angeln begonnen und verbuchte dabei sogar einigen Erfolg.
Er konnte auch
schnitzen und fertigte einige lustige Figuren an, die er um das Haus
herum stellte.
Eine davon sah aus
wie ein kleines Skelett, finster schauend, wie aus einem Gruselfilm.
Es stand direkt auf
einem der Pflöcke des Stegs. Als Lennox gerade im Haus einen Hasen
ausnahm, erblickte das hölzerne Skelett ein Boot, das aus den Weiten
des Sees auf den Steg zuhielt.
ENDE
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