Donnerstag, 3. Oktober 2013

Fatum – Eine Fortsetzungsgeschichte. TEIL XIV


Es stellte sich heraus, dass Stolo beabsichtigte, Marisca in seinen engeren Gefolgskreis aufzunehmen. Der bestand nicht aus Sklaven, sondern aus Freigelassenen, Klienten und Freunden, mit denen man sich gerne sehen ließ und die das eigene Erscheinungsbild ergänzten. Stolo umgab sich mit einer Unzahl an Buhlern, ehemaligen Strichern, Günstlingen und Halsabschneidern.
Einige davon kannten Marisca, und einige von diesen hatten ihre erotischen Dienste schon mehrmals in Anspruch genommen. Doch alle bestätigten unisono die leichte Veränderung an Mariscas Aura, und schließlich, als man ihr die Haare mit der importierten Pilae Mattiacae blondiert hatte, erschien sie wie eine andere, neue Person. Sie selbst fand die ungewohnte Farbe wenig reizvoll, aber sie half ihr, sich selbst ein wenig so wahrzunehmen, wie es die anderen taten, und obendrein benutzte sie diese neue Selbstsicht, um sich für das Vorhaben zu konditionieren, sich als eine Andere zu sehen, als eine fremde Meuchlerin, die nur so tat, als sei sie Marisca, die Tochter aus gutem Hause, verdorben durch die Dienste der Straße.
Sie begleitete Stolo zu verschiedenen Treffen, auch in die Arena zu den Gladiatorenspielen. Sie soff und schlemmte mit ihm und seinen Kumpanen und schlief nur mit einem Mann, wenn Stolo es verlangte, und dann handelte es sich immer um eine höher gestellte Person, egal ob Mann oder Frau. Natürlich dachte sie permanent an Caecus, an seine Hände, seine Stimme, seine Augen und an dieses unbeschreibliche Gefühl, das ihre Seele okkupierte, wenn er in ihrer Nähe war und beide dieselbe Luft atmeten. Das gab ihr Kraft, aber es setzte sie auch unter Druck.
Sie musste es schaffen.
Peinlich genau dokumentierte sie in ihrem Gedächtnis, wie ein üblicher Tag von Stolo ablief und notierte sich auch jede stimmungsabhängige Veränderung. Besonders die Zeiten im Bade und auf der Latrine interessierten sie. Nur selten hielt er sich irgendwo alleine auf, doch in der vierten Nacht, die sie nun in dort verbrachte, stellte sie erstaunt fest, dass er ohne Begleitung zu Bett ging. Er hatte sein Ruhebedürfnis zuvor sogar befohlen und gemurmelt, er werde anscheinend alt. Ironischerweise besaß sie, da sie nun in der Hierachie aufgestiegen war, die Erlaubnis, einen kleinen Dolch zu tragen.
Es galt nun, eine passende Nacht abzuwarten und sich wie ein Geist in das Gemach dieses Mannes zu schleichen, um ihn mit einem kraftvollen, gezielten Schnitt die Kehle auf zu trennen. Denn so wollte sie es tun. Rigoros und einfach, wie es Männer tatenn. Wie man es ihr nicht zutraute.
Marisca wusste, dass das Transitorium zu ihrer Zukunft so schmal war wie ein Nadelöhr. Tötete sie Stolo nicht, konnte sie nie mehr auf den Esquilin zu Pictors Haus zurück kehren. Das schloss ein Versagen ihres Mordversuchs sowie eine eventuelles Überlaufen mit ein. Man würde Caecus Schaden zufügen und dies so fachkundig anstellen, dass er als Maler weiterhin tätig sein konnte. Doch wiedersehen würde sie ihn nie wieder.
Welch eine herkulische Mission, wenn einem nichts anderes übrig blieb, als in einer Sache maximalen Erfolg zu erzielen, von der man keine Ahnung hatte.
Natürlich waren Marisca schon viele Mordgeschichten zu Ohren gekommen und hatte sich Details über diverse Durchführungen berichten lassen, doch davon zu hören und es selbst zu tun, war wie einen Vogel beim Flug zu betrachten und sich anschließend von einer Klippe zu stürzen, in der Hoffnung, man bräuchte nur die Arme auszubreiten, um wie ein Falke zu fliegen.
Und die Tat an sich, die Durchführung, wurde ihr immer vertrauter, je länger sie daran dachte und wie sehr sie diese Gedanken mit dem Wunsch verknüpfte, mit Caecus zusammen zu sein. Immer das große Ziel vor Augen halten. Wenn man es klar vor sich sah, war es schon der halbe Sieg.
Und immer wieder spielte sie durch, wie sie des nachts leise, ohne Sandalen, in den oberen Stock schlich, vorbei an den anderen Zimmern, am Innenhof entlang, und wie sie die leicht knarrende Tür von Stolos Cubiculm Noctis leicht beim Öffnen anhob, hineinglitt und dahinter gleich in die Hocke ging, zu Stolos riesigem Bett schwebte wie eine Biene, sein seidenes gelbes Laken beseite hauchte, die Klinge zückte und an seinen langen, nach Nelken dfutenden Hals anlegte …
Caecus hatte keine Ahnung, wohin es Marisca verschlagen hatte. Niemand wusste etwas, oder es wurde ihm verschwiegen. Mittlerweile ging es ihm so gut, dass er wieder in der Werkstatt arbeiten konnte. Das Portrait des Esquiliner Chefs Novellus konnte vollendet werden, und dieser kam sogar persönlich vorbei, um es abzuholen, wobei Caecus eine Prämie von 100 Denaren erhielt.
Anschießend musste dringend die Werkstatt aufgeräumt werden, wobei einem der Helfer das Bild in die Hände fiel, das Marisca kurz vor ihrem Aufbruch zu den Aventinern gemalt hatte. Man zeigte es Caecus und fragte ihn, ob man es aufheben sollte.
Caecus sah sich das Bild an. Er erkannte sofort den Banditen vom Aventin, Stolo, für den Marisca früher schon tätig gewesen war. In seinem Verstand fielen einige Mauersteinchen. Er erinnerte sich an Mariscas fadenscheinige Lüge, ihr hoffnungsvolles Gebaren.
Und schließlich, neben Stolos kahlem Schädel, erkannte Caecus auf dem Bild das Symbol von Pluto, dem Gott des Todes.
Götter … Sie kann doch nicht …!”



Nächster Teil Freitag, 11.10.2013

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