Donnerstag, 17. Oktober 2013

Fatum – Eine Fortsetzungsgeschichte. TEIL XVI


Marisca lag im oberen Stockwerk, parfümert, gesalbt, gründlich enthaart und blondiert. Rechts neben ihr döste der hübsche Liebhaber der Schwester der verstorbenen Giftmischerin, links ein ehrenwerter Senator, weniger hübsch.
Als sie in ihrer Ermattung die Augen schloss, drang aus dem unteren Bereich des Anwesens ein grässlicher Schrei durch den Innnehof. Das war nichts Ungewöhnliches, doch der seltsam vertraute Ton des Gemarterten machte sie hellhörig. Sie setzte sich auf und horchte.
Leg Dich wieder hin, geile Fossa” sagte der Senator. “Stolo nimmt nur ein Ohr. Das Nehmen eines Ohrs entfacht eine besondere Art von Gezeter. Es unterscheidet sich von den Lauten der Geißelung.”
Marisca hörte nicht auf den Mann und schlich aus dem Zimmer. Sie schaute über die Brüstung hinab in den Hof. Nichts war mehr zu hören.
Später am Abend, als Marisca mit Stolo und seinen Kumpanen zur abendlichen Cena im großen Triklinium lag, sprach niemand über den Vorfall. Marisca wandte sich an einen der Sklaven, die das Essen servierten.
Es ist ein Mann vom Esquilin!” sagte dieser, einen ausgespuckten Kirschkern an der Wange. “Es soll ein Maler sein, ein Abtrünniger.”
Ein Maler sagst Du?”
Der Sklave, in Sorge dass man ihn wegen seiner Geschwätzigkeit bestrafen könnte, huschte wieder davon. Marisca konnte es noch nicht glauben. Doch als sie ein Getuschel zweier anderer Sklaven mit anhörte, erfuhr sie, dass bewusster Abtrünniger von einem Medicus behandelt worden war und sich nun in einem der Gesinderäume erholte.
Marisca, mittlweile in der Hierachie des Hauses emporgestiegen und wegen ihres Äußeren sehr auffällig, musste einen geeigneten Augenblick finden, um sich zu vergewissern, ob ihre Ahnung bestätigt wurde oder nicht.
Doch natürlich machte sie sich die größten Sorgen und die schlimmsten Vorwürfe. Darüber vergaß sie, welch einen vorläufigen Plan sie sich für die Emordung von Stolo bereits ausgedacht hatte und fand keine Ruhe mehr, bis sich die Nacht über das Haus legte und ihre Herren entweder schliefen oder sie nicht mehr brauchten.
Sie warf sich einen schlichten Umhang über und schlich hinunter ins Erdgeschoss, tapste barfuß vorbei an der alten Giftküche und bog in den kühlen Korridor ein, aus dem man schon die Sklaven schnarchen und kopulieren hörte. Sie scheute sich nicht, in eine kleine Kammer hinein zu spechten, mitten in einen kleinen Liebesakt hinein, und zu fragen:
Der Maler, wo liegt er?”
Die Frau, über dem Mann hockend, erkannte Marisca sofort und zischte:
Was willst Du Schlampe bei dem? Er ist ein Esquiliner, eine Geisel!”
Halt die Fresse. Sag mir was ich wissen will, oder ich lasse dich und deinen Knaben von Stolos Männern in Stücke reißen!”
Der Mann sagte keuchend:
Dritte Tür links.”

Da lag er, ihr Caecus, den Kopf mit einem blutigen Verband umschnürt und schlafend. Es zerriss ihr das Herz, als sie ihn so sah, notdürftig gefesselt, auf einer harten Pritsche, und ein weiteres Mal verletzt. Zuerst war es sein Arm gewesen, und nun hatte man ihm auch noch sein linkes Ohr genommen.
Liebster ….”
Caecus schlug die Augen auf. Ganz verklebt waren sie von Blut. Doch so geschwächt und gemartert er auch erschien, er war sofort hellwach und erkannte Marisca.
Was ist dir dummes Weib bloß eingefallen, dich auf so eine Mission einzulassen? Willst du sterben? Was verlangt Pictor von dir? Sollst du ganz allein dieses miese Schwein töten?”
Es ist unser Schiff in die Freiheit. Liebster Caecus. Warum musstest du herkommen? Du machst es nur noch schlimmer. Ich hatte alles im Griff. Und nun bist du hier und hast ein Ohr verloren … Ich nenne dich Narr!”
Sie erwartete, dass er sie nun erneut beschimpfte, doch überraschte er sie, indem er sagte:
So sind wir beide Narren, hm? Wir leben in unserer Sehnsucht nach einer Welt, die nur uns gehört und sind bereit, dafür zu töten. Wir kennen uns kaum, und doch riskieren wir alles.”
Wenn man nichts riskiert, bleibt man das Spielgerät der Schurken.”
Da hast du recht, doch bei diesem Risiko verwandelt man sich schnell von einem sehnsüchtigen Ritter zu einem toten Trottel.”
Weißt du” sagte Marisca nicht ohne Sarkasmus, “Ich bin froh, dass er dir das Ohr abgeschnitten hat. Nun bist du krank und kannst mich nicht mehr hindern. Allerdings habe ich nun die herkulische Aufgabe, dich hier raus zu schaffen. Du hast alles erschwert.”
Wie willst du das denn anstellen, ihn zu töten? Was ist dein Plan?”
Er schläft alleine. Morgen Nacht werde ich in sein Gemach gehen und ihm seinen Hals öffnen. So einfach, so klar, so unwiderruflich. Er wird betrunken sein, und seine Lenden werden trübe von ihm herunter hängen, weil er sich zuvor bei seinen Knaben verausgabt hat. Er hatte recht, als er sagte, dass er alt wird. Er hat sich verändert, doch er hat immer noch die ihm auszeichnende Bosheit. Er ist der Mörder meiner Familie, er ist derjenige, der meinem Liebsten das Ohr genommen hat. Und nun wird der Schlussstrich gezogen! Es ist ein Auftrag von Picotr, gewiss, doch es ist darüber hinaus meine Rache!”
Caecus hatte zugehört. Er streichelte ihre Wange …
Geh nun zurück, dorthin, wo man dich schlafend vermutet. Errege keine Aufmerksamkeit, Liebste.”
Marisca nickte. Sie hatte Tränen der Wut in den Augen. Caecus lächelte sie an. Sie beugte sich herunter, küsste ihn und huschte schnell davon.
Caecus wartete, bis sie fort war, und dann sah er sich seine Fesseln an. Vielleicht konnte er sie lösen …




Nächster Teil Freitag, 25.10. 2013

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