Donnerstag, 31. Oktober 2013

Fatum – Eine Fortsetzungsgeschichte. TEIL XVIII


Marisca konnte sich nicht erlauben, die Fellatio vorzeitig zu beenden, versprach sich doch der Herr unter ihr eine angemessene Wonne für einen Start in den neuen Tag.
Doch hörte sie während ihres Dienstes deutlich, wie bewaffnete Männer durch den Hof polterten und hoch darüber Stolos falsettartige Stimme, die nur bei einem besonderen Ereignis so übertrieben anschwoll, dass man sie noch jenseits des Tiber zu hören vermochte. Marisca verstand die Worte “Mord” und “Verrat”.
In diesem Moment dachte sie nicht im Traum daran, ihr Geliebter, der, wie sie glaubte, verstümmelt in einer der hinteren Kammern der Gesinderäume lag, könnte Anlass für diesen Tumult sein.
Und sie blieb noch ahnungslos, als sie nach unten zu einem ersten Frühstück ins Triklinium geschickt wurde, was immer mit einem kleinen Empfang für Klienten und Bittsteller verbungen war, mit Stolo als solzen Hausherrn und Dentatus als sein stiller Verbündeter, vor dem sich alle so sehr fürchteten, weil er als der beste Messerwerfer der Stadt galt, vielleicht der ganzen Region.
Die anderen Buhlknaben und Huren, die sich, wie Marisca auch, um den großen Mann scharten, hatten brav zu schweigen, während Stolo seine Mahlzeit zu sich nahm, Geschenke verteilte und Befehle in schwülstiger Versform vortrug.
Erst später, als die Gäste sich wieder entfernt hatten, widmete sich Stolo seinem engeren Kreis und wollte etwas verkünden:
Meine lieben Freunde, liebe Familie und Geiseln! Heute Nacht ist etwas Wundervolles geschehen. Ein dummer Querulant, ein gedungenes Rindvieh vom Scheißhügel des Esquilin, ist bis in mein Gemach vorgedrungen und hegte den wahnwitzigen Plan, mich zu töten!”
Die Anwesenden jauchzten auf, stöhnten, raunten und schlugen aus Empörung ihre Hände auf die Arme. Marisca erstarrte.
Jemand rief: “Hast Du ihn gemeistert mit Deinem Dolch?”
Oh nicht doch! Das wäre doch in meiner Position, jetzt wo meine Angelegenheiten ein geradezu außenpolitisches Gewicht erhalten und mich die Syrer schon zu einem Gott erheben wollen, ein mir unwürdiger Modus Operandi ...”
Raunen und Flüstern. Stolo grinste wie ein Kamel und sagte:
Selbstverständlich bin ich den Gesetzen unseres Imperiums unterworfen, so wie ein Senator oder ein Viehhändler, wie jedermann unter Sol Invictus. Ich rief nach den Stadtkohorten, nach einem Abgesandten der Präfektur, und in Demut und mit Wahrheitsliebe berichtete ich von diesem unwirschen, missglückten Anschlag, und dass sich der tolle Hund in meiner Gewalt befindet.
Meine Lieben, es war so leicht, es an einem halben Finger oder einem halben Ohr abzählen zu lassen, dass es dieser Pinselschwinger auf mein Leben abgesehen hatte. Zu durchsichtig schien sein Begehren, uns zu dienen, sich gegen seinen Hügel zu richten, zu einfältig und schon beleidigend für meine Intelligenz hatte er seine Lüge vorgetragen.
Die Kohorten nahmen ihn in ihre Obhut, und der Beamte sagte mir im Vertrauen, dass dieser Stultissimus uns zu Ehren bei der nächsten Damnatio ad Bestias seinem Schicksal in die Augen sehen soll!”
Marisca versuchte mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, die Fassung zu bewahren, angesichts dessen, was sie gerade vernommen hatte. Caecus würde in Kürze, mitten in der Arena, den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen werden. Und sie, die sich schon bereit gemacht hatte, diesen Stolo so umzubringen, wie es Caecus in der Nacht versucht hatte, sah sich nun mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Liebe sterben würde.
Das konnte sie nicht zulassen …
Als Stolo einige Stunden später im Bade lag und einige Knaben für ein Stelldichein aussuchte, die ihm der Reihe nach präsentiert wurden, fasste Marisca einen schweren Entschluss, so schwer wie kein Entschluss je sein konnte, aber dennoch fühlte er sich in dieser Lage so leicht an, als ob sie die Feder eine Schwalbe von einer Mauer pusten würde.
Marisca, Volusa, ach nein, wir müssen uns für Dich einen neuen Namen einfallen lassen.”
sagte Stolo, während er zwei Knaben zum Ohrenschneiden einteilte.
Vielleicht Pulchra, oder Aquila, vielleicht sogar Venus ...”
Patronus, ich habe Euch etwas zu sagen.”
Du hast mir etwas zu sagen? Das klingt sehr schwanger, voller Bedeutung und dunkler Weissagung. Was kann es sein, das Dich so belastet hat?”
Es geht um den Maler Caecus, den Ihr den Vigiles überantwortet habt.”
Und für den wir alle einmal wieder in die Arena gehen werden, um zu sehen, wie er von den lieben Tierchen verschmaust wird … Was ist mit ihm? Du kennst diesen Mann?”
Er ist mein Geliebter, Patronus.”
Stolo streckte seinen Hals wie eine aufgeschreckte Giraffe:
Dein Geliebter? Wie kann das sein?”
Ich lernte ihn lieben, als ich in den Diensten des Esquilin stand, Patronus.”
Sie konnte sehen, wie sich seine Stimmung verdüsterte.
Du? Für den Esquilin? Meine Marisca hat für den Esquilin ...”
So ist es, Patronus.”
Finsterer als Stolos Blick konnte selbst die Hölle nicht sein:
Und Du hast davon gewusst, von seinem Mordgedanken? Antworte aufrichtig, ich erkenne jede Lüge.”
Nein. Das habe ich nicht gewusst.” In der Tat war dies keine Lüge. “Ich habe gehört, dass er hier aufgetaucht ist, und ich habe sehr kurz mit ihm gesprochen. Er hat es mir verschwiegen, wohl um mich zu schützen, damit Ihr, Patronus, nicht auf den Gedanken kommt, es wäre ein Komplott.”
Ein Komplott ist es sowieso, auch wenn Dein kleines Köpfchen ahnungslos gehalten wurde! Der Esquilin will mich also unterwandern, mich infiltrieren … Das werden diese Hurensöhne teuer bezahlen, denn nun wird es Krieg geben, offenen Krieg.”
Patronus, Caecus wurde gewiss zu diesem Plan gezwungen. Bestimmt hatte er keine Wahl.”
Ich soll diesem Umstand Wert beimessen? Ob er eine Wahl hatte, soll mich milde stimmen? Was stellst Du Dir vor, Esquilinierin? Soll ich ihn aus den Katakomben der Arena herausholen und in Deine Arme treiben und für alle sichtbar machen, was für ein gutes Herz ich habe?”
Marisca konnte darauf nichts sagen. Denn genau dass hatte sie erbeten wollen.
Stolo beugte sich in seinem Badezuber vor und sagte:
Wir gehen morgen in die Arena, schöne Marisca, und wir werden uns amüsieren und den Spielen zusehen, und Du wirst mit eigenen Augen mit ansehen, wie Dein geliebter Caecus von den Löwen und Tigern in Stücke gerissen und verzehrt wird!”



Nächster Teil Freitag, 08.11.2013

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